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Arbeitsvertrags, ist in den vergangenen Jahrzehnten von den Arbeitgebern neu formuliert worden. Bestand dieser Vertrag früher in gegenseitiger Loyalität, verbunden mit Arbeitsplatzsicherheit, so ist jetzt Flexibilität der vom Arbeitnehmer einseitig eingeforderte Wert. Wir leben schließlich in Echtzeit. Die Echtzeit bringt mit der hohen Synchronisierung jene hohe Standardisierung der Lebensläufe mit sich, die wir inzwischen als Norm-Karrieren kennen gelernt haben. Dieser Variante der Gleichmacherei entkamen auch die Arbeitsverhältnisse nicht. Nicht mehr Loyalität, sondern Flexibilität wird vom einzelnen Arbeitnehmer gefordert. Das bedeutet für den Arbeitgeber, Personal je nach Auftragslage „zeitnah“ entlassen zu können.
In diesem Denkmodell hat die Verantwortung für seine Karriere einzig und allein der Berufstätige selbst. Das zum Konzept passende Schlagwort heißt Arbeitsmarktfähigkeit: Pass selbst darauf auf, dass du, wenn dein Arbeitgeber dich freisetzt, am Arbeitsmarkt noch gebraucht wirst. Mache Weiterbildungen, in deiner Freizeit, nach den Überstunden. Diese werden nach einer Umfrage des Jobportals Monster in Deutschland dem Arbeitgeber übrigens mittlerweile überwiegend ohne Gegenleistung „zur Verfügung gestellt“.
5. Paradoxe Erwartungen
Flexibel soll der Angestellte sein, bereit, jederzeit zu gehen, aber auch bereit, jederzeit zu bleiben, dem Arbeitgeber seine Zeit zu schenken, wenn sie gebraucht wird. Denn zwischen den Zeilen moderner Arbeitsverträge wird noch eine Eigenschaft von Martin und Martina Schmidt erwartet und mit ihrer Zeit-Spende-Bereitschaft verquickt: unternehmerisch zu denken. Schmidt soll erkennen, wann es dem Unternehmen nützt, Mehrarbeit zu leisten. Keine Frage, dass das fast immer der Fall ist.
Der Verfall von Mehrarbeit von Angestellten der Hauptverwaltung eines großen Autokonzerns war Gegenstand einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung. Der Richter wollte herausfinden, warum so viele Überstunden angehäuft wurden. Der Arbeitgeber hatte sie weder angeordnet noch die Bezahlung dieser Stunden angekündigt. Ganz im Gegenteil, die Unternehmensleitung hatte auf die ersatzlose Streichung dieser Stunden mehrmals hingewiesen.
Waren Mitarbeiter, die ihren Freizeitausgleich in vollem Umfang wahrnehmen wollten, benachteiligt worden? Auch das war nicht erkennbar. Der Richter folgerte: „Der Beschäftigte erbringt diese Arbeitsleistung ohne Rechtsgrund.“ Und weiter: „Es mag sein, dass Mitarbeiter in Erwartung zusätzlicher Karrierechancen oder wegen der Erfolgsabhängigkeit ihrer Vergütung von der Geltendmachung ihres Freizeitausgleichs absehen. Diesen stünde aber jederzeit die Möglichkeit offen, umzudenken…“
Aber sie denken nicht um. Woran liegt das? Vergleichen wir mal den alten psychologischen Arbeitsvertrag mit dem neuen. Das alte System forderte von jedem Mitarbeiter Teilzuständigkeiten, die mehr oder weniger klar definiert waren. Die Grenzen eines Arbeitsplatzes setzten auch Grenzen für die Zuständigkeit des Mitarbeiters. Wenn das Ganze nicht funktionierte, war das ein Problem der Unternehmensführung.
Ganz anders im neuen psychologischen Vertrag. Überwiegend ist die Arbeit in modernen Unternehmen „prozessorientiert“, es gibt „Crossfunctional-Teams.“ Kommunikation, über Arbeitsplatzgrenzen hinaus, ist die erste Kompetenz des Mitarbeiters. Angenommen, es klemmt irgendwo, wird der moderne Mitarbeiter sich nicht als nicht zuständig erklären können. Er würde dann das Ergebnis des Teams, der Abteilung, des Unternehmens gefährden. Er wird versuchen, sich „drum zu kümmern“, auch wenn er „eigentlich“ nicht zuständig ist. Jedem einzelnen kleinen Rad im Getriebe wird Verantwortung für den Umsatz, fürs große Ganze abverlangt. Unser Herr Schmidt ist, so heißt das heute, „Teil der Wertschöpfungskette“, und daher nimmt er den entstehenden Erfüllungsdruck höchst persönlich. Die Anweisungen der Vorgesetzten sind – verglichen mit dem früheren psychologischen Vertrag – eher diffus: „Tut das, was für das Ergebnis gut ist.“ Wenn es jetzt irgendwo hakt, stellt sich sofort die Frage „Wer hat seine Prozess-Funktion nicht erfüllt?“ Vielleicht wird unser Herr Schmidt „rausgedeutet“, denn Konkurrenz unter Mitarbeitern, nicht ihre Solidarität ist ein Funktionsprinzip dieses Modells. Unternehmerische Probleme sehen aus wie das Versagen einzelner Mitarbeiter. Und wer will schon als Versager dastehen?
6. Fehlende
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