Runterschalten
Geschäft, bei dem ich Qualität, Angebot und Preisspanne kenne. Dieser Laden wird mir eine Auswahl präsentieren, die mir gefällt. Bei der zweiten Entscheidung, der Kaufentscheidung, darf ich mich also getrost auf meine Intuition verlassen, auf mein Bauchgefühl. Inmitten der schon für meinen Geschmack vorselektierten Auswahl finde ich die momentan beste Variante. Bingo. Ich freue mich an dem Ergebnis und am Zeitgewinn.
Benjamin Franklin soll als Entscheidungsmethode das „moralische Algebra“ empfohlen haben, bei dem der Zweifelnde einfach nur eine Pro- und Kontra-Liste zu machen hat. Diese Art der Entscheidungsfindung wird seither als grundsolide propagiert, denn sie folgt derschlichten Vernunft-Regel: Das Kriterium mit den meisten Plus-Punkten siegt.
Diese simple Rechnung geht von zwei Annahmen aus: erstens, der Mensch würde alle entscheidungsrelevanten Faktoren kennen, zweitens, Gefühle hätten bei Entscheidungen nichts zu suchen. Es ist ein Land der Klarheit und Reinheit, das da erdacht wird – das Land, das es gab, bevor Eva zum Apfel griff.
Seither gibt es Unübersichtlichkeiten und Ungewissheit. Dazu gehört das Wissen, dass wir eben nicht alles wissen und dass unsere Zeit begrenzt ist und dass wir uns deshalb also ebenso gut auf unsere Intuition verlassen können. Entscheidungsforscher wie Gerd Gigerenzer behaupten nach jahrzehntelanger Forschung nun auch noch kühn, dass dieses Vertrauen auf Gefühle gar nicht die zweitbeste, sondern die beste Wahl sei.
Die vermeintlichen Beschränkungen der Intelligenz seien in Wahrheit ihre Stärke, sagt er in „Bauchentscheidungen“. Denn unsere Intelligenz würde sich anpassen und mit ihren Mitteln haushalten, indem sie sich auf das Unbewusste verlässt. Mehr Informationen und Überlegungen seien nicht immer besser – weniger kann mehr sein. Ist das nicht das beste Plädoyer für das Runterschalten auf das Wesentliche, das man sich vorstellen kann? Mit anderen Worten:
Tipp
Vergessen Sie Kopfentscheidungen. Es ist selbst für „Kopfmenschen“ inzwischen wissenschaftlich und mit langen Testreihen nachprüfbar, dass Bauchentscheidungen für unsere Steuermannskunst am wertvollsten sind.
Wenn Sie sich nun für einen solchen Kopfmenschen halten, werden Sie wohl jetzt ins Grübeln kommen. Bauchentscheidungen? Gab es die in Ihrem Leben überhaupt? Sie kennen Ihren Bauch bisher nur als Ort für Verdauungsprozesse? Das wird sich ändern, wenn Sie mehr über die Schiffbruchkompetenz und die Sinnfrage im Leben gelesen haben.
Vertrautes und vertracktes Fahrwasser
Nicht immer entscheiden wir unter Schön-Wetter-Bedingungen und mit ausreichend Zeit. Es kann auch sein, dass der Auslöser für Ihren Entscheidungswunsch ein energiezehrender Arbeitsplatz ist. Auch dann gilt zwar, erst eine Auszeit nehmen und regenerieren, die Batterien wieder aufladen und dann mit klarem Kopf schauen, wo es hingehen kann – siehe zweiter Steuerkunst-Tipp. Aber in einem Stress-Job wird das „vertraute Fahrwasser“ – also die Variante, im Job zu bleiben – möglicherweise schädlich sein. Bei einer Arbeit, die sich als Energie-Vampir herausstellt, sollte die seelische und körperliche Gesundheit vor allen anderen Erwägungen Vorrang haben. Hier gilt es also genau zu prüfen, wie sehr die Gesundheit schon betroffen ist – siehe „Stress- und Workaholic-Barometer“ unten. Oder Sie konsultieren dazu Ihren Hausarzt!
Bei Stressbetroffenen bemerke ich oft genau das Gegenteil von dem, was ich oben beschrieben habe, denn in einer Hinsicht scheinen sich gestresste Menschen vollkommen von den Werturteilen ihres näheren Umfeldes gelöst zu haben: Sie ignorieren Ratschläge, die Entlastung vom Stress bringen sollen, notorisch. Nur das eine Urteil von außen, nämlich die Anerkennung durch die Arbeit, ist ihnen noch wichtig. Gestresste Menschen haben, um es mal deutlich zu sagen, einen Tunnelblick. Sie wissen nicht mehr, was gut für sie ist und haben meist keine Kompetenz mehr, in eigener Sache zu entscheiden. Ihr Steuermann fällt aus. Da hilft oft nur noch der „Schiffbruch“, also irgendeine gesundheitliche Zwangspause.
Tipp
Stress ist laut WHO die Gesundheitsgefährdung Nr. 1 in westlichen Industrienationen, zudem setzt er unsere Steuerkunst außer Kraft: Wir sehen den Eisberg nicht!
Die Zwangspause kann freilich auch auf andere Art zustande kommen. Wenn ein Drifter mit seinem Sich-Treiben-Lassen erfolgreich ist, nennen wir ihn einen Glückspilz. Dann hat dieser Mensch für
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