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den vorletzten Platz (IAB Unternehmensgründungen im internationalen Vergleich. Deutschland – eine Gründungswüste? 2009). Viele fangen erst an, über eine Existenzgründung nachzudenken, wenn sie müssen, also gekündigt sind. Man nennt das eine „pragmatische Gründung“ –Selbstständigkeit als „Notlösung“ oder zweitbeste Wahl. Schade, denn nach Meinung vieler Arbeitsforscher ist das Angestelltenverhältnis ohnehin ein aussterbendes Modell. Unternehmen haben etliche Dienstleistungen, die sie brauchen, ausgelagert und kaufen sie jetzt ein. Egal, ob es die Dienste von Ingenieuren, IT-Fachleuten, Designern, Beratern, Trainern, Zulieferern, Werbe-, und PR-Fachleuten oder Personalexperten sind: Hier ist Bedarf und hier finden sich immer neue Nischen, auch für Einzelunternehmer. Obendrein bietet das Internet ganz neue Möglichkeiten, nicht nur Firmen, sondern auch Einzelkunden anzusprechen. Höchste Zeit also, die Selbstständigkeit als maßgeschneiderte Lösung wahrzunehmen.
Am Anfang steht die Idee
Wer sich selbstständig machen will, muss mit Skepsis rechnen: erstens gegenüber dem Modell als solchem, siehe oben. Zweitens gegenüber der Geschäftsidee. Sie wird gern mit Stirnrunzeln aufgenommen. Eine Idee ist nichts als ein Gedankenspiel, luftig, leicht, unkonkret – kann sich so was durchsetzen? Gibt es dafür überhaupt Abnehmer? Ich stelle Ihnen hier ein paar Ideen vor – was meinen Sie, welche von diesen Ideen hätte eine Chance auf Erfolg?
Ein Luxustaschen-Mietdienst. Frauen mieten Handtaschen, die tausend Euro und mehr kosten, für eine Woche oder länger im Abonnement. Sie zahlen dafür eine relativ geringe Gebühr und schicken die Taschen nach Gebrauch zurück.
Eine Setzerei und Druckerei für alte, vor der Schmelze bewahrte Schriften, die Firmen-, und Privatdrucksachen nach althergebrachter Art in Bleisatz herstellt.
Ein Fahrrad-Reparaturdienst in der Großstadt, der – mit dem Fahrrad – Kunden vor Ort im Falle einer Panne hilft.
Ein Müsli-Hersteller, der Müslis nach individuellen Wünschen zusammenstellt und an Kunden verschickt.
Nun, wie steht es mit Ihrer Skepsis – welche dieser Ideen halten Sie für ganz und gar unrealisierbar? Bestimmt haben Sie mich durchschaut – alle diese Ideen sind seit einiger Zeit erfolgreich am Markt und werden teilweise schon kopiert. Angefangen haben sie im Fall von mymuesli.com in der Küche einer Studenten-Wohngemeinschaft, mittlerweile hat man eine eigene Produktionshalle und eigene Büros. Auch „luxus-babe.de“ fing klein an und hat mittlerweile mehrere Mitarbeiter. Der Fahrrad-Reparaturdienst und die Setzerei sind Berliner Einzelunternehmer, für die diese Arbeitsform stimmt und so bleiben soll. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Geschäftsidee, solange sie noch nicht materialisiert ist, skeptisch aufgenommen wird. Wenn sie sich dann aber bewährt hat, sagen viele gern: „Siehste, hab ich mir doch gleich gedacht …“
Zu alt zum Steuern?
Der dritte Grund, warum Gründern gern mit Skepsis begegnet wird, ist das Alter. Junge Gründer sind „hip“; Gründern in der Lebensmitte traut man die Sache oft nicht zu. Und das nicht mal ohne Grund: Selbstständigkeit und Angestellt-Sein sind diametral entgegengesetzte Kulturen. Wer sein halbes Berufsleben im Angestelltenverhältnis verbracht hat, wird die Umstellung auf die Eigenständigkeit schwierig finden: Es gibt keinen monatlichen Gehaltszettel, keine bezahlten Urlaubs-, und Krankheitstage. Rechnungen müssen selbst geschrieben, Kunden selbst akquiriert, das Controlling selbst erledigt werden. Als Sologründer hat man keine Kollegen, keine Flurgespräche, keine Vorgesetzten. Man ist „sein eigener Chef“ mit der Hoheit über die eigene Zeitgestaltung.
Ein Selbstständiger ist ganz anders mit sich und seinen Stärken und Schwächen konfrontiert als ein Angestellter. Gut möglich, dass er sich bisweilen einsam und „verloren“ fühlt, wenn Aufträge ausbleiben oder so gedrängt kommen, dass sie nicht zu bewältigen sind. Gut möglich, dass er endlich von seinen Kunden die Anerkennung bekommt, die ihm als Angestellter immer gefehlt hat. In der Bildlichkeit dieses Buchs ausgedrückt ist der Selbstständige der Steuermann schlechthin – er muss sich selbst steuern können, wird das Steuer nur selten loslassen.
Ein Angestellter ist eher ein unkontrollierter Drifter mit gelegentlichen Ausflügen ans Steuer. Er handelt weisungsgebunden und wird nicht unbedingt für sein Handeln
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