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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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Babuschka.
    Sie streichelt meine Hand. »So viel Schlimmes hat man dir angetan.« Sekunden vergehen, vielleicht auch Stunden. Zeit hat keine Bedeutung mehr. »Und du anderen.«
    In meinem stark vernebelten Blick schwillt sie immer mehr an. Ihre Augen sind geschlossen. Auf den Lidern zeichnen sich bläuliche Risse ab, der schwach aufgetragene Lidschatten löst sich langsam. Das flaumige Kinn sinkt ihr auf die Brust, und plötzlich scheint sie in sich selbst zusammenzuschrumpfen, wie in einem Zerrspiegel.
    »So viel Grausamkeit hinterlässt schreckliche Spuren.«
    Dann schweigt sie. Weissagen ist harte Arbeit, könnte man meinen. Ich versuche mich zu orientieren. Die Wohnung schwankt und schaukelt. Klingen weißen Lichts durchschneiden mein narkotisiertes Hirn. Aus dem Weiß werden lila Wellen, dann rote Spiralen und schließlich ein eisig glänzendes beruhigendes Grün. Meine Glieder fallen schlaff an mir herab. Die Lehne des Korbstuhls umarmt mich wohltuend. Das chromgrüne Leuchten umhüllt mich. Meine Gedanken wandern sinnlos umher, bis das Leuchten verblasst.
    Und dann erstrahlt plötzlich alles wieder in hellem Licht. Schillernde Bilder brennen sich mir ins Bewusstsein, zu stark, um ihnen zu entkommen …
    Valja schwebt lockend durch einen Kunstlichthimmel. Leda schimmert im Schilfrohr. Posnowa krümmt sich unter meinen folternden Händen. Ich höre Maxims Stimme, tief und leise. Volk - er ist der Richtige dafür . Ein Transportflugzeug verliert die Kontrolle und explodiert im feuerroten Sand der iranischen Wüste, während ein trauriger General feierlich zusieht. Sofia brüllt vor Wut und Frustration hinter einem steinernen Spitzbogen. Ein schwarzes Kreuz schmiegt sich in ein Bett gleißenden Eises. Ein Mann mit brandvernarbtem Gesicht und gelben Augen fliegt vor einem sich drehenden gold-blauen Hintergrund, er ist tot, aber ein paar Herzschläge bleiben ihm noch, die ausgestreckten Arme spannen seinen im Wind flatternden Mantel vergeblich zu Flügeln auf.
    Alles wirbelt umher wie in einem riesigen Whirlpool, und plötzlich bin ich eins mit dem Hausmeister in seinem dumpfen Fall. Der Himmel dreht sich in strahlendem Indigo, mit Schleierwolken betupft, gleich darauf erfüllt von der Kuppel der Kathedrale. Der heranrasende Boden greift drohend nach mir. Ich sehe das Gesicht Jesu, gelassen und friedlich in diesem Moment der Vergebung aller Sünden.
    Mein Kopf schlägt gegen die Wand hinter mir. Die enge Wohnung nimmt wieder Gestalt an. Das zerwühlte Bett, der Fernseher mit der Folienantenne, die niedrige Decke, und Maschas weit aufgerissene Augen, die nicht mehr in meine Seele schauen - der Teil des Experiments ist vorbei -, sondern direkt in mein Gesicht, offenbar besorgt.
    »Ist alles in Ordnung?« Die kratzende Stimme ist wieder da.
    »Wie spät ist es?«
    »Du bist seit einer Stunde hier.«
    Ich reibe mir die Augen und versuche vergebens, mich zu erinnern, was passiert ist.
    »Verstehst du jetzt?« Sie zieht eine Augenbraue hoch.
    »Nein.«
    Ihre Lippen werden schmal. »Mach die Augen auf, Alexei.«
    Mein Kopf dröhnt. Mein Bein pocht. Ich liebe Mascha, aber ich würde sie am liebsten durchschütteln bis ihr die Antworten herausfallen.
    »Ich habe dasselbe gesehen wie du«, sagt sie. »Das genügt.« Sie setzt sich zurück auf die Matratze und schließt die Augen. »Es genügt, es sei denn, du bist blind.«

47
    Ich fahre mit der Bahn zum Loft. Es ist leer, gottverlassen. Ich kann hier nicht bleiben, genauso wenig wie ich die Einsamkeit der Wohnung in der Soljanka-Straße ertrage. Ich klettere die Feuertreppe zurück nach unten. Während ich mich in Richtung Café schleppe, verbinden sich mein Stumpf und die Fleischwunde unter meinem Knie zu einem beißenden Schmerz. Ich gehe leise durch den Hintereingang, lasse mich in meinen Stuhl fallen und schließe die Augen.
    Vadim weckt mich. Verband, glänzende Stahlinstrumente, eine dampfende Schüssel Wasser und eine gelbliche Salbe liegen auf einem Tuch über meinen Tisch verteilt. Mit einem Skalpell schneidet er meine Sachen auf. Wäscht mich mit einem Schwamm und inspiziert das Loch in meinem Bein.
    »Brauchst du einen Drink?«
    So wie er es sagt, sollte die Antwort Nein lauten, nicht für eine einfache Fleischwunde. Es ist nicht sein Bein. Der Schmerz sagt, ich brauche etwas. Aber Drogen? Kann mein Körper noch mehr Drogen verkraften?
    »Nein.«
    Er säubert die Wunde so wie man den Lauf einer Waffe säubert, indem er eine Art Laufreiniger mit einem getränkten

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