Russisches Requiem
Zufrieden prägte er »Zu Händen des Staatsanwaltsbüros Moskau« auf den Umschlag. Er war dankbar dafür, dass er einen nützlichen Beitrag zu einer neuen Gesellschaft leisten konnte, auch wenn ihre Schaffung ein schwieriger Prozess war.
»Wirklich gut gemacht, Alexei.« Ausnahmsweise meinte Jasimow es ernst.
»Inzwischen ist er schon auf halbem Weg nach Kolyma.« Koroljow steckte sich die Akte unter den Arm und stand auf.
»Der überlebt nicht lange«, warf Larinin ein, den die Heiterkeit vorhin anscheinend etwas aufgemuntert hatte. »Die Banditen werden ihn schon am Bahnhof abfangen. Dann kriegt der Betrüger zu spüren, wie es ist, wenn man betrogen wird.« Wellenförmig brandete das Gelächter über sein Hemd, und sein Bauch schob sich einige Zentimeter weiter auf den Schreibtisch. Larinins Augen, die auch normalerweise schon halb im Fett versanken, waren nur noch Hautschlitze, aus denen er sich die Tränen wischte, ohne zu registrieren, dass die anderen nicht mitlachten.
Stirnrunzelnd wandte sich Jasimow ab, und selbst Semjonow sah aus, als hätte er etwas Schlechtes gegessen. Koroljow fragte sich, wie viele Jahre sie Eisenfaust wegen Larinins Aussage aufgebrummt hatten und wie die Banditen in der Zone mit Exmilizionären umsprangen. Hastig verließ er den Raum; es juckte ihn in den Fingern, die Haut um Larinins Kehle zusammenzupressen, bis sie platzte.
Draußen im Flur atmete er tief durch und hörte, wie drinnen das Lachen verstummte und Larinin mit unsicherer Stimme fragte, ob es denn nicht amüsant sei, wenn ein Vergewaltiger vergewaltigt wurde. Er erhielt keine Antwort. Wie würden die Banditen einen Polizisten wie Eisenfaust behandeln? Schwer zu sagen. Sie hatten ein merkwürdiges Ehrgefühl. Und Eisenfaust hatte sich auf seine Art immer fair verhalten. Vielleicht hatte er eine Chance.
Nichts rührte sich, als er an die Tür des Generals klopfte, aber er öffnete trotzdem, weil er seinen Vorgesetzten gut kannte. Mit dem Rücken zum Zimmer beobachtete Popow den vorüberziehenden Verkehr. Seine bulligen Schultern füllten das Fenster, und auf seiner dreiviertellangen Lederjacke spiegelte sich das Sonnenlicht.
»Guten Tag, Genosse General.« Koroljow nahm Habtachtstellung ein. General Popow besaß eine Ausstrahlung, die seine Leute dazu ermunterte, sich wie zaristische Gardisten zu gebärden.
»Klopft in diesem verfluchten Haus überhaupt niemand mehr an?«, knurrte der General, ohne sich umzudrehen.
»Verzeihen Sie, Genosse General. Ich habe geklopft, aber vielleicht nicht laut genug.«
Nach längerem Schweigen sah sich Popow nach Koroljow um und griff nach der Brille auf dem Tisch, um ihn besser ins Visier nehmen zu können. Aber auch mit Brille blieb er Zoll für Zoll ein sowjetischer Held, stattlich wie eine Statue mit den kohlschwarzen Haaren und Augen. Als er in der soeben noch verschwommenen Gestalt Koroljow erkannte, ließen sich seine wie in Stein gemeißelten Gesichtszüge zu einem Lächeln erweichen.
»Alexei Dimitrijewitsch? Sie wollen die Akte Woroschilow abschließen? Diese Ratte. Zehn Jahre hat er gekriegt, nicht? Wenn es nach mir gegangen wäre ...« Der General ließ es dabei bewenden, die Hand kraftvoll auf den Schreibtisch zu klatschen, weil er wusste, dass seine Vorliebe für entschlossene Selbstjustiz nichts Neues für Koroljow war.
»Wahrscheinlich schon bald auf dem Weg nach Sibirien, General Popow.«
»Der wird den Frühling nicht erleben. Burschen wie ihn behandeln die Banditen mit ihrer eigenen Medizin. Der hält sich nicht lange.« Die Vorstellung brachte den General zum Lächeln. »Aber genug von diesem Kerl. Nehmen Sie Platz, Alexei, und hören Sie mir zu. Ich habe Neuigkeiten.« Popow nahm die Akte entgegen und unterschrieb schnell unter Koroljows Notiz. »Da haben Sie wirklich gute Arbeit geleistet, Alexei. Ausgezeichnet. Und nicht das erste Mal natürlich. Ich gebe Ihnen alle schwierigen Fälle, sämtliche Verbrechen, die den Eindruck machen, als wären sie von Gespenstern begangen worden, aber Sie finden die Teufel immer und bringen sie mir. Die höchste Aufklärungsquote der ganzen Abteilung, und dabei prügeln Sie die Geständnisse nicht einmal aus ihnen heraus.«
Der General unterbrach sich, um Koroljow mit einem leicht vorwurfsvollen Blick zu bedenken. Seine widerborstigen Brauen zogen sich zusammen, als er über die verdächtig liberalen Methoden seines Ermittlers nachsann.
»Ich tue mein Bestes, Genosse General.«
Popow seufzte. »Und das heißt
Weitere Kostenlose Bücher