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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Senta. „Heut abend geht’s weiter, und morgen und Dienstag und Mittwoch, bis tief in die Nacht!“
    „Bitte, bitte, lieber Gott, laß uns eine Afrikareise gewinnen“, sagte ich. Aber ich sagte es nicht laut.
    Vier Abende saßen wir bis ein Uhr und waren morgens todmüde. Unzählige Reisen und Autos zogen an unseren Augen vorbei, unzählige Male hören wir die Worte:
    „Und diesen schönen Wagen werden Sie bald fahren, Frau Renate Schmidt. Herr Hans Schulz. Diese herrliche Reise wartet jetzt auf Fräulein Frieda Petersen.“
    Nichts wartete auf Fräulein Senta Rywig.
    „Jetzt gebe ich es auf,“ sagte ich am Mittwochabend. „Ich bin hundemüde, ich gehe zu Bett!“
    „Ach warte noch ein paar Minuten“, sagte Senta. „Hier nimm den letzten Apfel. Wenn wir so lange ausgehalten haben, dann bleiben wir dabei to the bitter end. Wenn wir nun das Haus gewinnen, Sonnie?“
    „Verkaufen wir’s und fahren nach Afrika. Für ein Jahr. Außerdem habe ich kein Los. Aber für das Geld, das du fürs Haus kriegst, kannst du die ganze Familie nach Afrika einladen.“
    Weiter, weiter. Lauter unbekannte Namen. Nicht einmal das Wort Kiel fiel.
    „Nee“, sagte ich. „Nun mag ich nicht mehr.“
    Ich stand auf, warf einen letzten Blick auf den Bildschirm - ach da war wieder das herrliche Bild von der Löwin mit den spielenden Jungen, das Bild, das meine Traumreise ankündigte.
    „Wir kommen jetzt zu dem letzten Gewinn der diesjährigen Fernsehlotterie. Eine vierzehntägige Ostafrikareise: eine Woche Badeaufenthalt am Indischen Ozean, eine Woche Fotosafari durch die Serengeti. Und dorthin fährt demnächst - Entschuldigung, fahren demnächst... Sonja und Senta Rywig aus Kiel. “
    Das nächste, woran ich mich noch erinnern kann, war, daß ich mit den Armen um Sentas Hals dastand und wie ein Schloßhund heulte. Die Tränen liefen über mein Gesicht, in Sentas Haar, über ihre Bluse.
    „Sonnie - Sonnielein. komm doch zu dir, Schwesterchen! Ja, es ist wunderbar, es ist nicht zu fassen! Sonja, liebes.“
    Was mich zurück zu der Wirklichkeit brachte, war ein schrilles Telefonklingeln. Senta ging ran.
    „Ja. ach Rolf! Ja, ja, natürlich haben wir es gehört, Sonja heult, als hätte sie den Po vollgekriegt - nein, sie wußte nicht, daß sie auch ein Los hatte, das heißt, daß wir es zusammen hatten. Fein, Rolf, wir sprechen uns morgen, ich muß mich um meine verrückte Schwester kümmern, bevor sie das Aquarium zerschmettert oder aufs Meißner Porzellan losgeht. Gute Nacht, Liebster!“
    Kaum hatte sie den Hörer aufgelegt, klingelte es wieder.
    „Oh, Frau von Waldenburg, das ist aber nett von Ihnen! Ja, wir haben es gehört, wir sind kurz vor dem Wahnsinnigwerden. - Ja, wir telegrafieren unseren Eltern morgen. - O wie nett, essen Sie dann hier zu Mittag? - Nein, keine Veränderung mit Bicky, aber jetzt können wir es ja stündlich erwarten. - Ja, sie ist wohlauf. - Tausend Dank! - Ja, grüßen Sie bitte Ihren Gatten.“
    „Sie kommt morgen her“, sagte Senta, als sie den Hörer aufgelegt hatte. und dann nahm sie ihn wieder. Es hatte zum dritten Male geklingelt.
    Es klingelte zum vierten, fünften, sechsten Mal. Nachbarn und Bekannte -, Senta hatte ja etliche Menschen in Kiel und Umgebung kennengelernt. Ihre Frisöse rief an, dann die Bäckersfrau.
    „So!“ sagte Senta. „Jetzt lege ich den Hörer ab! Und dann. nur eine Sekunde, Sonnie, spring nicht aus dem Fenster vor Glück, ich bin gleich wieder da!“
    Ich hörte ihre Schritte auf der Kellertreppe. Da war sie schon zurück mit einer Puppen-Sektflasche in der Hand.
    „Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich jetzt mit meiner Schwester allein Sekt trinken!“ verkündete sie und holte zwei schlanke Kristallkelche aus dem Eckschrank. „Ich kaufe morgen eine neue Flasche für unseren Weinkeller. Prost, Sonnie! Bist du jetzt glücklich?“
    „O Sentachen, ich kann es nicht glauben! Kneife mich bitte in den Arm... fester! Ich träume bestimmt, dies kann doch nicht wahr sein - aua!“
    Senta hatte mit den Nägeln derart zugekniffen, daß ich drei Tage lang einen blauen Fleck hatte!
    Wann wir an diesem Abend - ich meine, an diesem Morgen - ins Bett kamen, weiß ich nicht. Wir blieben sitzen, wir planten und phantasierten, wann würden wir fahren? Was müßte man mitnehmen? Wir würden morgen gleich Prospekte holen - wie war es mit den Visa? Mit Impfen? Von wo ging die Reise los? Ach richtig, das wußten wir ja: von Frankfurt! Ob wir den Reisetermin selber wählen könnten?

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