Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Reiseunternehmen, sondern von mir.
Alle hier grüßen Euch herzlichst und gratulieren. Stefan läßt sagen, er wünscht sich einen echten Massaispeer. Wo der Bengel das Wort Massai aufgefischt hat, ist mir schleierhaft. Man erlebt halt immer Überraschungen, wenn man sechs Kinder hat!
Alles Gute, meine lieben Mädelchen!
Küßchen von Mutti und von Eurem alten Papa.
„Oh, wenn bloß... bloß nicht...“, sagte ich, als wir gemeinsam den Brief gelesen hatten.
„Nimm die Sorgen nicht auf Vorschuß“, riet mir Senta. „Es wird schon alles klappen. Das mit den uralten Flugzeugen stimmt jedenfalls nicht, es wurde doch im Fernsehen von modernen Düsenmaschinen gesprochen.“
„Ja, aber du weißt, wie gewissenhaft Papa ist - und wie ängstlich Beatemutti manchmal ist. O Senta, wenn sie es uns nicht erlauben! Ich werde heulen, ich werde. ich werde.“
„Nach Afrika schwimmen, mit zwei Stullen als Proviant in einem Plastikbeutel“, sagte Senta. „Klar, daß alles klappt!“
„Sentachen, fahr doch in die Stadt, in einem Reisebüro kriegst du ja alle möglichen Prospekte. Ich werde die Wäsche aufhängen und Bickys Futter zurechtmachen und Kunigunde in Gang setzen und Wohnzimmer staubsaugen und zum Bäcker gehen und das Mittagessen kochen.“
„Der Himmel steh mir bei!“ seufzte Senta.
„Warum? Weil du ins Reisebüro mußt?“
„Weil ich mich an deinem Selbstgekochten sättigen muß“, sagte Senta, schlüpfte in den Mantel, nahm ihre Tasche und verschwand.
War ich nervös!
Ich konnte mich nicht mehr so richtig freuen. Immer zitterte ich vor Vatis Entschluß. Er war so furchtbar gewissenhaft.
Ich schlief schlecht, ich konnte kaum essen.
So ging es einige Tage. Dann schlug Senta mit der Faust auf den Tisch:
„So und nun Schluß mit dieser blöden Angst, Sonnie! Du fährst nach Afrika, ich garantiere es!“
„Wie kannst du das garantieren?“
„Ganz einfach. Wenn Papa nicht erlaubt, daß wir beide allein in die große böse Welt fahren, dann schenke ich Bernt meine Karte. Mit ihm darfst du fahren, das weiß ich!“
„Sentachen. du bist. du bist.“
„Mensch, heulste schon wieder? So, und nun ißt du dieses Schnitzel hier! Wenn nicht, bitte ich Rolf, daß er dich mit dem Kochlöffel verdrischt, er ist scheußlich kräftig, daß du es weißt! Und wenn wir gegessen haben, packen wir das Weihnachtspaket für alle zu Hause, und du versuchst, dein Lächeln wieder aus seinem Versteck hervorzuholen. Begreifst du das endlich?“
„Ja, Sentachen. Du bist die liebste und beste Schwester auf der Welt!“
„Werde bloß nicht sentimental, ich werde dir reichlich Gelegenheit geben, dich zu revanchieren.“
„Du kannst mich um alles auf der Welt bitten, Senta, und ich tu’s!“
„Großartig. Fang damit an, den Kühlschrank abzutauen und sauber zu machen. Vor drei Tagen ging mir ein Ei drin kaputt, und ich hatte es vollkommen vergessen. Viel Vergnügen!“
Zwischenspiel
So ganz zur Ruhe kam ich doch nicht. Natürlich hatte Senta recht, mit Bernt würde Papa mich seelenruhig loslassen. Falls er nicht selber mitfahren könnte! Es müßte eigentlich auch möglich sein, für vierzehn Tage einen Vertreter zu finden.
Doch am allerliebsten wollte ich mit Senta fahren. Wir verstanden uns so gut, und sie war gründlich angesteckt von meinem Afrikafieber.
„Du, Senta“, sagte ich eines Tages. „Du hast das Los in der Fernsehlotterie bekommen, so müßtest du eigentlich... ich meine, wenn nur eine von uns.“
„Schaf“, sagte Senta. „Du weißt ganz genau, daß diese Reise für dich viel, viel mehr bedeutet als für mich. Ja, natürlich habe ich rasende Lust dazu, das ist klar, aber ich komme nicht um, falls ich verzichten muß. Du weißt - ich habe einen Trost, den du nicht hast!“ „Du meinst Rolf?“
„Klar, was sonst? Ach, Sonnie, wenn ich ihn nur habe, dann können mir alle Reisen auf der Welt gestohlen bleiben. Ich habe ihn ja so unwahrscheinlich lieb!“
Eine feine Röte breitete sich über Sentas Gesicht, und ihre Augen wurden blank. Nie hatte ich sie so hübsch gesehen. Wird man eigentlich immer so hübsch, wenn man liebt? Irgendeinen Zusammenhang mußte es da geben.
„Weißt du, wem du jetzt ähnlich siehst, Senta?“
„Dir“, sagte Senta.
„Ja, und Beatemutti in einem bestimmten Augenblick. Damals, als sie und Papa uns erzählten, daß sie heiraten würden.“
„Sehe ich so aus? Nicht zu fassen, kann ich so verliebt aussehen? Nun ja, das liegt wohl daran, daß ich’s bin.
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