Sämtliche Dramen
ihn; doch«, mögt Ihr sagen, »wenig,
Und wenn’s der rechte ist, der ist gar wild,
Treibt dies und das« – dann gebt ihm nach Belieben
Erlogne Dinge schuld; nun, nichts so Arges,
Das Schand’ ihm brächte; davor hütet Euch!
Nein, solche wilde, ausgelaßne Streiche,
Als hergebrachtermaßen die Gefährten
Der Jugend und der Freiheit sind.
Reinhold
.
Als spielen.
Polonius
.
Ja, oder trinken, raufen, fluchen, zanken,
Huren – so weit könnt Ihr gehn.
Reinhold
.
Das würd’ ihm Schande bringen, gnäd’ger Herr.
Polonius
.
Mein’ Treu’ nicht, wenn Ihr’s nur zu wenden wißt.
Ihr müßt ihn nicht in andern Leumund bringen,
Als übermannt’ ihn Unenthaltsamkeit:
Das ist die Meinung nicht; bringt seine Fehler zierlich
Ans Licht, daß sie der Freiheit Flecken scheinen,
Der Ausbruch eines feurigen Gemüts,
Und eine Wildheit ungezähmten Bluts,
Die jeden anficht.
Reinhold
.
Aber, bester Herr –
Polonius
.
Weswegen Ihr dies tun sollt?
Reinhold
.
Ja, das wünscht’ ich
Zu wissen, Herr.
Polonius
.
Ei nun, mein Plan ist der,
Und, wie ich denke, ist’s ein Pfiff, der anschlägt:
Werft Ihr auf meinen Sohn so kleine Makeln,
Als wär’ er in der Arbeit was beschmutzt
Merkt wohl!
Wenn der Mitunterredner, den Ihr aushorcht,
In vorbenannten Lastern jemals schuldig
Den jungen Mann gesehn, so seid gewiß,
Daß selb’ger folgendergestalt Euch beitritt:
»Lieber Herr«, oder so; oder »Freund«, oder »mein Wertester«,
Wie nun die Redensart und die Betitlung
Bei Land und Leuten üblich ist.
Reinhold
.
Sehr wohl.
Polonius
. Und hierauf tut er dies: – Er tut – ja was wollte ich doch sagen? Beim Sakrament, ich habe was sagen wollen. Wo brach ich ab?
Reinhold
.
Bei »folgendergestalt Euch beitritt«.
Polonius
.
Bei »folgendergestalt Euch beitritt«. – Ja,
Er tritt Euch also bei: »Ich kenn’ ihn wohl, den Herrn,
Ich sah ihn gestern oder neulich ’mal,
Oder wann es war, mit dem und dem; und wie Ihr sagt,
Da spielt’ er hoch; da traf man ihn im Rausch;
Da rauft’ er sich beim Ballspiel«; oder auch:
»Ich sah ihn gehn in solch ein saubres Haus«
(Will sagen: ein Bordell), und mehr dergleichen. – Seht nur,
Eu’r Lügenköder fängt den Wahrheitskarpfen;
So wissen wir, gewitzigt, helles Volk,
Mit Krümmungen und mit verstecktem Angriff
Durch einen Umweg auf den Weg zu kommen;
Und so könnt Ihr, wie ich Euch Anweisung
Und Rat erteilet, meinen Sohn erforschen.
Ihr habt’s gefaßt, nicht wahr?
Reinhold
.
Ja, gnäd’ ger Herr.
Polonius
.
Nun, Gott mit Euch! Lebt wohl!
Reinhold
.
Mein bester Herr –
Polonius
.
Bemerkt mit eignen Augen seinen Wandel!
Reinhold
.
Das will ich tun.
Polonius
.
Und daß er die Musik mir fleißig treibt!
Reinhold
.
Gut, gnäd’ger Herr.
Ab.
Ophelia kommt.
Polonius
.
Lebt wohl! – Wie nun, Ophelia, was gibt’s?
Ophelia
.
O lieber Herr, ich bin so sehr erschreckt!
Polonius
.
Wodurch, ins Himmels Namen?
Ophelia
.
Als ich in meinem Zimmer näht’, auf einmal
Prinz Hamlet – mit ganz aufgerißnem Wams,
Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig
Und losgebunden auf den Knöcheln hängend;
Bleich wie sein Hemde, schlotternd mit den Knie’n;
Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt,
Als wär’ er aus der Hölle losgelassen,
Um Greuel kund zu tun, – so tritt er vor mich.
Polonius
.
Verrückt aus Liebe?
Ophelia
.
Herr, ich weiß es nicht,
Allein ich fürcht’ es wahrlich.
Polonius
.
Und was sagt er?
Ophelia
.
Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,
Dann lehnt’ er sich zurück, so lang sein Arm;
Und mit der andern Hand so überm Auge,
Betrachtet’ er so prüfend mein Gesicht,
Als wollt’ er’s zeichnen. Lange stand er so;
Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand,
Und dreimal hin und her den Kopf so wägend,
Holt’ er solch einen bangen tiefen Seufzer,
Als sollt’ er seinen ganzen Bau zertrümmern
Und endigen sein Dasein. Dies getan,
Läßt er mich gehn; und über seine Schultern
Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg
Zu finden ohne seine Augen; denn
Er ging zur Tür hinaus ohn’ ihre Hülfe,
Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich.
Polonius
.
Geht mit mir, kommt: ich will den König suchen.
Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,
Die, ungestüm von Art, sich selbst zerstört
Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen
So oft als irgendeine Leidenschaft,
Die unterm Mond uns quält. Es tut mir leid –
Sagt, gabt Ihr ihm seit kurzem harte
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