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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Angewöhnung, die zu sehr
    Den Schein gefäll’ger Sitten überrostet –
    Daß diese Menschen, sag’ ich, welche so
    Von einem Fehler das Gepräge tragen
    (Sei’s Farbe der Natur, sei’s Fleck des Zufalls),
    Und wären ihre Tugenden so rein
    Wie Gnade sonst, so zahllos wie ein Mensch
    Sie tragen mag: in dem gemeinen Tadel
    Steckt der besondre Fehl sie doch mit an;
    Der Gran von Schlechtem zieht des edlen Wertes
    Gehalt herab in seine eigne Schmach.
    Der Geist kommt.
    Horatio
.
    O seht, mein Prinz, es kommt!
    Hamlet
.
    Engel und Boten Gottes steht uns bei!
    Sei du ein Geist des Segens, sei ein Kobold,
    Bring’ Himmelslüfte oder Dampf der Hölle,
    Sei dein Beginnen boshaft oder liebreich,
    Du kommst in so fragwürdiger Gestalt,
    Ich rede doch mit dir; ich nenn’ dich Hamlet,
    Fürst, Vater, Dänenkönig: o gib Antwort!
    Laß mich in Blindheit nicht vergehn! Nein, sag:
    Warum dein fromm Gebein, verwahrt im Tode,
    Die Leinen hat gesprengt? warum die Gruft,
    Worin wir ruhig eingeurnt dich sahn,
    Geöffnet ihre schweren Marmorkiefern,
    Dich wieder auszuwerfen? Was bedeutet’s,
    Daß, toter Leichnam, du, in vollem Stahl,
    Aufs neu’ des Mondes Dämmerschein besuchst,
    Die Nacht entstellend; daß wir Narren der Natur
    So furchtbarlich uns schütteln mit Gedanken,
    Die unsre Seele nicht erreichen kann?
    (Was ist dies? sag! Warum? Was sollen wir?)
    Horatio
.
    Es winket Euch, mit ihm hinwegzugehn,
    Als ob es eine Mitteilung verlangte
    Mit Euch allein.
    Marcellus
.
    Seht, wie es Euch mit freundlicher Gebärde
    Hinweist an einen mehr entlegnen Ort:
    Geht aber nicht mit ihm!
    Horatio
.
    Nein, keineswegs.
    Hamlet
.
    Es will nicht sprechen: wohl, so folg’ ich ihm.
    Horatio
.
    Tut’s nicht, mein Prinz!
    Hamlet
.
    Was wäre da zu fürchten?
    Mein Leben acht’ ich keine Nadel wert;
    Und meine Seele, kann es der was tun,
    Die ein unsterblich Ding ist, wie es selbst?
    Es winkt mir wieder fort, ich folg’ ihm nach.
    Horatio
.
    Wie, wenn es hin zur Flut Euch lockt, mein Prinz
    Vielleicht zum grausen Gipfel jenes Felsen,
    Der in die See nickt über seinen Fuß,
    Und dort in andre Schreckgestalt sich kleidet,
    Die der Vernunft die Herrschaft rauben könnte
    Und Euch zum Wahnsinn treiben? Oh, bedenkt!
    Der Ort an sich bringt Grillen der Verzweiflung
    Auch ohne weitern Grund in jedes Hirn,
    Der so viel Klafter niederschaut zur See
    Und hört sie unten brüllen.
    Hamlet
.
    Immer winkt es:
    Geh nur! ich folge dir.
    Marcellus
.
    Ihr dürft nicht gehn, mein Prinz!
    Hamlet
.
    Die Hände weg!
    Horatio
.
    Hört uns, Ihr dürft nicht gehn!
    Hamlet
.
    Mein Schicksal ruft,
    Und macht die kleinste Ader dieses Leibes
    So fest als Sehnen des Nemeer Löwen.
    Der Geist winkt.
    Es winkt mir immerfort: laßt los! Beim Himmel,
    reißt sich los
    Den mach’ ich zum Gespenst, der mich zurückhält! –
    Ich sage, fort! – Voran! ich folge dir.
    Der Geist und Hamlet ab.
    Horatio
.
    Er kommt ganz außer sich vor Einbildung.
    Marcellus
.
    Ihm nach! Wir dürfen ihm nicht so gehorchen.
    Horatio
.
    Kommt, folgen wir! Welch Ende wird dies nehmen?
    Marcellus
.
    Etwas ist faul im Staate Dänemarks.
    Horatio
.
    Der Himmel wird es lenken.
    Marcellus
.
    Laßt uns gehn!
    ¶

Fünfte Szene
    Ein abgelegener Teil der Terrasse.
    Der Geist und Hamlet kommen.
    Hamlet
.
    Wo führst du hin mich? Red’, ich geh’ nicht weiter.
    Geist
.
    Hör’ an!
    Hamlet
.
    Ich will’s.
    Geist
.
    Schon naht sich meine Stunde,
    Wann ich den schweflichten, qualvollen Flammen
    Mich übergeben muß.
    Hamlet
.
    Ach, armer Geist!
    Geist
.
    Beklag’ mich nicht, doch leih’ dein ernst Gehör
    Dem, was ich kund will tun.
    Hamlet
.
    Sprich! mir ist’s Pflicht zu hören.
    Geist
.
    Zu rächen auch, sobald du hören wirst.
    Hamlet
.
    Was?
    Geist
.
    Ich bin deines Vaters Geist:
    Verdammt auf eine Zeitlang, nachts zu wandern,
    Und tags gebannt, zu fasten in der Glut,
    Bis die Verbrechen meiner Zeitlichkeit
    Hinweggeläutert sind. Wär’ mir’s nicht untersagt,
    Das Innre meines Kerkers zu enthüllen,
    So höb’ ich eine Kunde an, von der
    Das kleinste Wort die Seele dir zermalmte,
    Dein junges Blut erstarrte, deine Augen
    Wie Stern’ aus ihren Kreisen schießen machte,
    Dir die verworrnen krausen Locken trennte
    Und sträubte jedes einzle Haar empor,
    Wie Nadeln an dem zörn’gen Stacheltier:
    Doch diese ew’ge Offenbarung faßt
    Kein Ohr von Fleisch und Blut. – Horch, horch! o horch!
    Wenn du je deinen teuren Vater liebtest –
    Hamlet
.
    O Himmel!
    Geist
.
    Räch’ seinen

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