Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
Vom Netzwerk:
wer kommt hier?
    Gloster, von einem alten Manne geführt.
    Mein Vater, bettlergleich geführt? Welt, Welt, o Welt!
    Lehrt’ uns dein seltsam Wechseln dich nicht hassen,
    Das Leben beugte nimmer sich dem Alter. –
    Alter Mann
. O lieber, gnäd’ger Herr, ich war Euer Pachter und Eures Vaters Pächter an die achtzig Jahre.
    Gloster
.
    Geh deines Wegs, verlaß mich, guter Alter;
    Dein Beistand kann mir doch nicht nützlich sein,
    Dir möcht’ er schaden.
    Alter Mann
.
    Ach, Herr, Ihr könnt ja Euren Weg nicht sehn.
    Gloster
.
    Ich habe keinen, brauch’ drum keine Augen;
    Ich strauchelt’, als ich sah. Oft zeigt sich’s, Mangel
    Wird uns zum Heil, und die Entbehrung selbst
    Gedeiht zur Hülfe. O mein Sohn! mein Edgar,
    Den des betrognen Vaters Zorn vernichtet! –
    Erlebt’ ich noch, umarmend dich zu sehn,
    Dann spräch’ ich, wieder hab’ ich Augen! –
    Alter Mann
.
    Wer da?
    Edgar
beiseit.
    Gott, wer darf sagen: Schlimmer kann’s nicht werden?
    ’s ist schlimmer nun als je.
    Alter Mann
.
    Der tolle Thoms! –
    Edgar
beiseit.
    Und kann noch schlimmer gehn; ’s ist nicht das Schlimmste,
    Solang’ man sagen kann: »Dies ist das Schlimmste.«
    Alter Mann
.
    Wo willst du hin, Gesell?
    Gloster
.
    Ist er ein Bettler?
    Alter Mann
.
    Ein Toller und ein Bettler.
    Gloster
.
    Er hat Vernunft noch, sonst könnt’ er nicht betteln,
    Im letzten Nachtsturm sah ich solchen Wicht,
    Und für ’nen Wurm mußt’ ich den Menschen halten;
    Da kam mein Sohn mir ins Gemüt, und doch
    War mein Gemüt ihm damals kaum befreundet.
    Seitdem erfuhr ich mehr; was Fliegen sind
    Den müß’gen Knaben, das sind wir den Göttern;
    Sie töten uns zum Spaß.
    Edgar
beiseit.
    Ist mir’s denn möglich?
    Ein schlecht Gewerb’, beim Gram den Narren spielen;
    Man ärgert sich und andre.
    Laut.
    Grüß’ Euch Gott! –
    Gloster
.
    Ist das der nackte Bursch’?
    Alter Mann
.
    Ja, gnäd’ger Herr.
    Gloster
.
    Dann geh, mein Freund! Willst du uns wieder treffen,
    Ein, zwei, drei Meilen weiter auf der Straße
    Nach Dover zu, so tu’s aus alter Liebe,
    Und bring’ ’ne Hülle für die nackte Seele:
    Er soll mich führen.
    Alter Mann
.
    Ach! er ist ja toll! –
    Gloster
.
    ’s ist Fluch der Zeit, daß Tolle Blinde führen! –
    Tu’, was ich bat, oder auch, was du willst;
    Vor allem geh!
    Alter Mann
.
    Den besten Anzug hol’ ich, den ich habe,
    Entstehe draus, was mag!
    Er geht ab.
    Gloster
.
    Hör’, nackter Bursch!
    Edgar
.
    Der arme Thoms friert.
    Beiseit.
    Ich halte mich nicht länger!
    Gloster
.
    Komm her, Gesell!
    Edgar
beiseit.
    Und doch, ich muß.
    Laut.
    Gott schütz’ die lieben Augen dir, sie bluten. –
    Gloster
.
    Weißt du den Weg nach Dover?
    Edgar
. Steg’ und Hecken, Fahrweg und Fußpfad. Der arme Thoms ist um seine gesunden Sinne gekommen. Gott schütze dich, du gutes Menschenkind, vorm bösen Feind! Fünf Teufel waren zugleich im armen Thoms: der Geist der Lust, Obidicut; Hoptanz, der Fürst der Stummheit; Mahu, des Stehlens; Modo, des Mords; und Flibbertigibbet, der Grimassenteufel, der seitdem in die Zofen und Stubenmädchen gefahren ist. Gott helfe dir, Herr! –
    Gloster
.
    Hier nimm die Börse, du, den Zorn des Himmels
    Zu jedem Fluch gebeugt; daß ich im Elend,
    Macht dich beglückter. – So ist’s recht, ihr Götter! –
    Laßt stets den üpp’gen, wollusttrunknen Mann,
    Der eurer Satzung trotzt, der nicht will sehen,
    Weil er nicht fühlt, schnell eure Macht empfinden:
    Verteilung tilgte dann das Übermaß,
    Und jeder hätte g’nug. Sag, weißt du Dover?
    Edgar
.
    Ja, Herr!
    Gloster
.
    Dort ist ein Fels, des hohe, steile Klippe
    Furchtbar hinabschaut in die jähe Tiefe:
    Bring’ mich nur hin an seinen letzten Rand;
    Und lindern will ich deines Elends Bürde
    Mit einem Kleinod – von dem Ort bedarf
    Ich keines Führers mehr.
    Edgar
.
    Gib mir den Arm:
    Thoms will dich führen.
    Sie gehn ab.
    ¶

Zweite Szene
    Schloß des Herzogs von Albanien.
    Es treten auf Goneril und Edmund, von der andern Seite der Haushofmeister.
    Goneril
.
    Willkomm’n, Mylord! mich wundert, daß mein sanfter Mann
    Uns nicht entgegen kam. – Wo ist dein Herr?
    Haushofmeister
.
    Drin, gnäd’ge Frau; doch ganz und gar verändert
    Ich sagt’ ihm von dem Heer, das jüngst gelandet,
    Da lächelt’ er; ich sagt’ ihm, daß Ihr kämt;
    Er rief: »So schlimmer!« Als ich drauf berichtet
    Von Glosters Hochverrat und seines Sohnes
    Getreuem Dienst, da schalt er mich ’nen Dummkopf,
    Und sprach, daß ich verkehrt die Sache nähme,
    Was

Weitere Kostenlose Bücher