Sämtliche Dramen
Heut abend will ich welche mit mir bringen.
Kupplerin
. Nun komm mit mir.
Marina
.
Brennt Feuer, schneiden Dolch’, ertränkt die Flut;
Bewahrt den Jungfrauengürtel mir mein Mut.
Und du, Diana, hilf!
Kupplerin
. Was haben wir mit Dianen zu tun? Nun, willst du wohl mit mir kommen?
Sie gehn ab.
¶
Fünfte Szene
Tharsus. Ein Zimmer in Cleons Haus.
Cleon, Dionysa.
Dionysa
.
Wie? Bist du töricht? Wird’s so ungetan?
Cleon
.
O Dionysa, niemals sah’n herab
Auf solche Schlachtung Sonne noch und Mond.
Dionysa
.
Zum Kinde, denk’ ich, wirst du wieder werden.
Cleon
.
Ja, wär’ ich Herr der ganzen weiten Welt,
Ich gäb’ sie hin, es ungetan zu machen.
O sie, in Tugend größer als Geburt,
Der allerhöchsten Königskrone wert,
Sie ohnegleichen! Schurke Leonin!
Den hast du nun vergiftet auch! Das hieß’ ich
Noch gut getan, wenn du ihm zugetrunken,
Das ziemte dir! Was kannst du nun wohl sagen,
Wenn Perikles nach seinem Kinde fragt?
Dionysa
.
Nun, daß sie starb. Ein Wärter ist kein Gott,
Der es ernährt und immerdar erhält.
Sie starb bei Nacht; ich sag’s: wer widerspricht?
Du müßtest denn den frevlen Blödsinn spielen,
Und, ehrlich nur zu heißen, zwischenfahren;
Sie starb auf unerlaubte Art!
Cleon
.
Gewiß,
Von allen Sünden unterm Himmel, zürnen
Zumeist die Götter dieser.
Dionysa
.
Glaube doch,
Zaunkön’ge werden fort von Tharsus fliegen.
Und es Perikles sagen. Pfui der Schande;
Entsprossen sein so edlem Stamm, und doch
So feigen Geistes!
Cleon
.
Wer solch’ Tun nur billigt,
Auch wenn es schon geschehen, wenn er auch nicht
Vorher mit eingestimmt, der fließt wohl nicht
Aus edlem Quell.
Dionysa
.
So mag’s denn also sein,
Doch keiner weiß, als du, wie sie gestorben,
Niemand erfährt’s, da Leonin nicht lebt.
Verachtet ward mein Kind durch sie, sie stand
Im Wege ihrem Glück; wer sah sie an?
Marinen nur ging jedes Auge nach,
Der unsern war man grob, sie schien ein Mensch,
Nicht Guten Morgen wert. Das stach mein Herz;
Und nennst du gleich, was ich tat, unnatürlich,
Der du dein Kind nicht liebst, so fühl’ ich doch,
Es lacht mich an als eine Tat der Liebe
Für deine einz’ge Tochter.
Cleon
.
O verzeih’es, Himmel!
Dionysa
.
Und was den Perikles betrifft,
Was kann er sagen? Wir beweinten sie,
Und trauern noch; ihr Monument ist fast
Vollendet, und ihr Epitaphium sagt
Im goldnen Glanz der Schrift den Ruhm,
Der allgemein in ihr war, und unsre Liebe,
Die’s kostbar ihr gesetzt.
Cleon
.
Du gleichst Harpyen,
Die zum Verrat ein Engelantlitz tragen,
Und mit den Adlerklauen Beute greifen.
Dionysa
.
Du gleichst dem, der abergläubisch Göttern
Beschwört, daß Winter umgebracht die Fliegen;
Doch wirst du wohl dich meinem Rate fügen.
Sie gehn ab.
¶
Sechste Szene
Daselbst. Vor dem Grabmal der Marina.
Gower tritt ein.
Gower
.
So schwindet uns die Zeit, der längste Raum,
Das Meer wird überhüpft, es lebt der Traum,
Wir reisen in der Einbildung sogleich
Durch alle Grenzen und von Reich zu Reich;
Wenn ihr verzeiht, so ist es kein Verbrechen,
Daß alle Land’ dieselbe Sprache sprechen,
Wo unsre Szene lebend scheint. Vergönnt mir,
Der in den Lücken steht, das Wort, so kennt ihr
Die Bühnen der Geschichte. Wiederum
Fährt Perikles auf falscher See herum,
(Viel edle Herrn und Ritter mit ihm sind)
Um seines Lebens Lust zu seh’n, sein Kind;
Auch Helicanus sich nicht von ihm trennt,
Und zur Regierung bleibt, den ihr wohl kennt,
Nun Escanes, den Helicanus hat
Gebracht zu hohem Ehrenamt im Staat.
Die schnellen Schiffe, günst’gen Winde brachten
Den Herrn nach Tharsus (zu Philoten machten
Wir die Gedanken, die in Eile gingen),
Die Tochter, die verloren, heim zu bringen;
Laßt, Schatten gleich, sie sich ein Weilchen regen,
Ich will dem Ohr, was Aug’ jetzt sieht, auslegen.
Stummes Spiel
.
Perikles tritt mit seinem Zuge von der einen Seite auf, Cleon und Dionysa von der andern; Cleon zeigt dem Perikles das Grabmal, worauf Perikles heftige Klage führt, ein Trauerkleid anlegt und im größten Schmerz abgeht.
Gower
.
So leidet Glaube durch den Heuchelschein,
Der falsche Schmerz spielt oftmals wahre Pein,
Perikles, in Kummer ganz zerflossen,
Seufzerdurchbohrt, von Tränen übergossen,
Schifft wieder fort, und schwört, er schneidet nicht
Sein Haar, und wäscht nicht mehr sein Angesicht;
Er sitzt im Trauerkleid, ein Sturm her wettert,
Der fast sein sterbliches Gefäß zerschmettert,
Er merkt ihn kaum.
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