Sämtliche Dramen
Wissen auch.
Drum, wenn wir uns in Mädchenaugen sehn,
Sehn wir nicht gleichfalls unser Wissen dort? –
Oh, wir gelobten Studien, werte Lords:
Mit dem Gelübd’ entsagten wir den Büchern.
Wie hättet Ihr, o Herr, und Ihr, und Ihr
Durch bleierne Betrachtung je ersonnen
So glüh’nden Vers, als den begeisternd Augen
Von Schönheitspflegerinnen euch gespendet? –
Das andre träge Wissen bleibt im Hirn,
Und deshalb finden seine dürren Knechte
Mühsel’ge Ernte kaum nach schwerem Dienst.
Doch Lieb’, in Frauenaugen erst gelernt,
Lebt nicht allein vermauert im Gehirn,
Nein, mit der Regung aller edlen Geister
Strömt sie gedankenschnell durch jede Kraft
Und zeugt jedweder Kraft zwiefache Kraft,
Weit höher als ihr Wirken und ihr Amt.
Die feinste Schärfe leiht sie dem Gesicht;
Wer liebt, des Auge schaut den Adler blind.
Wer liebt, des Ohr vernimmt den schwächsten Laut,
Wo selbst des Diebs argwöhnisch Horchen taub ist.
Die Liebe fühlt empfindlicher und feiner,
Als der beschalten Schnecke zartes Horn;
Schmeckt sie, wird Bacchus’ leckre Zunge stumpf;
Ist Lieb’ an Kühnheit nicht ein Herkules,
Der stets der Hesperiden Bäum’ erklimmt? –
Schlau wie die Sphinx, so süß und musikalisch
Wie Phöbus’ Lei’r, bespannt mit seinem Haar? –
Wenn Liebe spricht, dann lullt der Götter Stimme
Den Himmel ein durch ihre Harmonie;
Nie wagt’s ein Dichter und ergriff die Feder,
Eh’ er sie eingetaucht in Liebesseufzer! –
Dann erst entzückt sein Lied des Wilden Ohr,
Pflanzt in Tyrannen holde Menschlichkeit.
Aus Frauenaugen zieh’ ich diese Lehre:
Sie sprühn noch jetzt Prometheus’ echte Glut;
Sie sind das Buch, die Kunst, die hohe Schule,
Die alle Welt umfaßt, erläutert, nährt.
Sonst überall ist nichts Vollkommnes da.
Drum wart ihr Toren, diesen Frau’n entsagend,
Und haltet ihr den Schwur, so bleibt ihr Toren.
Der Weisheit halb, – ein Wort, das jeder liebt –
Der Liebe halb, – ein Wort, das jeden liebt –
Der Männer halb, die Schöpfer sind der Frau’n, –
Der Frauen halb, durch die wir Männer sind,
Laßt uns den Eid vernichten, uns zu retten,
Sonst retten wir den Eid, vernichten uns.
’s ist Religion, meineidig so zu werden,
Denn Gnade selber schrieb uns das Gebot;
Und wer mag Liebe trennen von der Gnade?
König
.
Sankt Amor denn! Und, Ritter, auf! Ins Feld! –
Biron
.
Voran die Banner, und zum Angriff, Lords;
Nieder mit ihnen, drängt und sprengt die Reih’n;
Doch seid bedacht, die Sonn’ im Kampf zu teilen.
Longaville
.
Nun, schlicht und ehrlich, ohne viel Figuren:
Soll’n wir um die französ’schen Mädchen frein?
König
.
Frein und gedeihn: deshalb laßt uns ersinnen
Ein festlich Spiel für sie in ihren Zelten!
Biron
.
Erst führen wir hieher sie aus dem Park,
Dann heimwärts leit’ ein jeder an der Hand
Sein schönes Liebchen; diesen Nachmittag
Soll sie ein art’ger Zeitvertreib ergötzen,
So gut die kurze Zeit vergönnen will;
Es bahnen Spiele, Masken, Fest’ und Tänze
Den Weg der Lieb’ und streun ihr Blumenkränze.
König
.
Fort, daß wir müßig nicht die Zeit versitzen:
Die Stunde, die noch unser, laßt uns nützen!
Biron
.
Allons! Wer Unkraut sät, drischt kein Getreide,
Gerechtigkeit wägt stets in richt’gen Schalen;
Der Dirnen Leichtsinn straft gebrochne Eide;
Nichts Beßres kaufen, die mit Kupfer zahlen.
Sie gehn ab.
¶
Zweite Szene
Ebendaselbst.
Holofernes, Nathanael und Dumm treten auf.
Holofernes
. Satis quod sufficit.
Nathanael
. Ich preise Gott für Euch, Sir; Euere Tischreden waren vielgekörnt und sentenzenreich, ergötzlich ohne Skurrilität, witzig ohne Affektation, kühn ohne Frechheit, gelahrt ohne Eigendünkel und paradox ohne Ketzerei. Ich diskurrierte an einem dieser quondam Tage mit einem Gesellschafter des Königs, welcher tituliert, benamset oder genannt wird Don Adriano de Armado.
Holofernes
. Novi hominem tanquam te: sein Humor ist hochfliegend, seine Redeweise gebieterisch, seine Zunge pfeilscharpf, sein Auge ehrsüchtig, sein Gang majestätisch, und sein Betragen überall pomphaft, lächerlich und thrasonisch. Er ist zu erlesen, zu verschniegelt, zu zierhaft, zu absonderlich, sozusagen; ja, daß ich mich des Ausdrucks bediene, zu ausländerisch.
Nathanael
. Ein höchst eigentümliches und auserwähltes Prädikat. Er nimmt seine Schreibtafel.
Holofernes
. Er zeucht den Faden seiner Loquazität feiner, als es der Wollenvorrat seiner Gedanken verträgt. Ich abscheue
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