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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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beiseit’ den Vorhang, und entdeckt
    Die Kästchen sämtlich diesem edlen Prinzen! –
    Trefft Eure Wahl nunmehr!
    Marokko
.
    Von Gold das erste, das die Inschrift hat:
    »Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.«
    Das zweite, silbern, führet dies Versprechen:
    »Wer mich erwählt, bekommt so viel, als er verdient.«
    Das dritte, schweres Blei, mit plumper Warnung:
    »Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein alles dran.«
    Woran erkenn’ ich, ob ich recht gewählt?
    Porzia
.
    Das eine faßt mein Bildnis in sich, Prinz:
    Wenn Ihr das wählt, bin ich zugleich die Eure.
    Marokko
.
    So leit’ ein Gott mein Urteil! Laßt mich sehn,
    Ich muß die Sprüche nochmals überlesen.
    Was sagt dies blei’rne Kästchen?
    »Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein alles dran.«
    Der gibt – wofür? für Blei? und wagt für Blei?
    Dies Kästchen droht: wenn Menschen alles wagen,
    Tun sie’s in Hoffnung köstlichen Gewinns.
    Ein goldner Mut fragt nichts nach niedern Schlacken,
    Ich geb’ also und wage nichts für Blei.
    Was sagt das Silber mit der Mädchenfarbe?
    »Wer mich erwählt, bekommt so viel, als er verdient.«
    So viel, als er verdient? – Halt’ ein, Marokko,
    Und wäge deinen Wert mit stäter Hand:
    Wenn du geachtet wirst nach deiner Schätzung,
    Verdienest du genug, doch kann genug
    Wohl nicht so weit bis zu dem Fräulein reichen.
    Und doch, mich ängsten über mein Verdienst,
    Das wäre schwaches Mißtraun in mich selbst.
    So viel, als ich verdiene? – Ja, das ist
    Das Fräulein; durch Geburt verdien’ ich sie,
    Durch Glück, durch Zier und Gaben der Erziehung;
    Doch mehr verdien’ ich sie durch Liebe. Wie,
    Wenn ich nicht weiter schweift’ und wählte hier?
    Laßt nochmals sehn den Spruch, in Gold gegraben:
    »Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.«
    Das ist das Fräulein: alle Welt begehrt sie,
    Aus jedem Weltteil kommen sie herbei,
    Dies sterblich atmend Heil’genbild zu küssen.
    Hyrkaniens Wüsten und die wilden Öden
    Arabiens sind gebahnte Straßen nun
    Für Prinzen, die zur schönen Porzia reisen.
    Das Reich der Wasser, dessen stolzes Haupt
    Speit in des Himmels Antlitz, ist kein Damm
    Für diese fremden Geister; nein, sie kommen,
    Wie über einen Bach, zu Porzias Anblick.
    Eins von den drei’n enthält ihr himmlisch Bild.
    Soll Blei es in sich fassen? Läst’rung wär’s,
    Zu denken solche Schmach: es wär’ zu schlecht,
    Im düstern Grab ihr Leichentuch zu panzern.
    Und soll ich glauben, daß sie Silber einschließt,
    Von zehnmal minderm Wert als reines Gold?
    O sündlicher Gedanke! Solch ein Kleinod
    Ward nie geringer als in Gold gefaßt.
    In England gibt’s ’ne Münze, die das Bild
    Von einem Engel führt, in Gold geprägt.
    Doch der ist drauf gedruckt: hier liegt ein Engel
    Ganz drin im goldnen Bett. – Gebt mir den Schlüssel,
    Hier wähl’ ich, und geling’ es, wie es kann!
    Porzia
.
    Da nehmt ihn, Prinz, und liegt mein Bildnis da,
    So bin ich Euer.
    Er schließt das goldne Kästchen auf.
    Marokko
.
    O Hölle, was ist hier?
    Ein Beingeripp, dem ein beschriebner Zettel
    Im hohlen Auge liegt? Ich will ihn lesen.
    »Alles ist nicht Gold, was gleißt,
    Wie man oft Euch unterweist.
    Manchen in Gefahr es reißt,
    Was mein äußrer Schein verheißt:
    Goldnes Grab hegt Würmer meist.
    Wäret Ihr so weis’ als dreist,
    Jung an Gliedern, alt an Geist,
    So würdet Ihr nicht abgespeist
    Mit der Antwort: Geht und reist!«
    Ja fürwahr, mit bittrer Kost.
    Leb wohl denn, Glut! Willkommen, Frost!
    Lebt, Porzia, wohl! Zu langem Abschied fühlt
    Mein Herz zu tief: so scheidet, wer verspielt.
    Ab.
    Porzia
.
    Erwünschtes Ende! Geht, den Vorhang zieht:
    So wähle jeder, der ihm ähnlich sieht!
    Alle ab.
    ¶

Achte Szene
    Venedig. Eine Straße.
    Salarino und Solanio treten auf.
    Salarino
.
    Ja, Freund, ich sah Bassanio unter Segel;
    Mit ihm ist Graziano abgereist,
    Und auf dem Schiff ist sicher nicht Lorenzo.
    Solanio
.
    Der Schelm von Juden schrie den Doge auf,
    Der mit ihm ging, das Schiff zu untersuchen.
    Salarino
.
    Er kam zu spät, das Schiff war unter Segel;
    Doch da empfing der Doge den Bericht,
    In einer Gondel habe man Lorenzo
    Mit seiner Liebsten Jessica gesehn.
    Auch gab Antonio ihm die Versich’rung,
    Sie sei’n nicht mit Bassanio auf dem Schiff.
    Solanio
.
    Nie hört’ ich so verwirrte Leidenschaft,
    So seltsam, wild und durcheinander, als
    Der Hund von Juden in den Straßen ausließ:
    »Mein’ Tochter – mein’ Dukaten – o mein’ Tochter!
    Fort mit

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