Sämtliche Dramen
Liebe
Für euch der Adel. Eure Not, betreffend
Die jetz’ge Teurung, könntet ihr so gut
Dem Himmel dräun mit Knütteln, als sie schwingen
Gegen den Staat von Rom, des Lauf sich bricht
So grade Bahn, daß es zehntausend Zügel
Von härtrem Erz zerreißt, als jemals ihm
Nur eure Hemmung bietet. Diese Teurung,
Die Götter machen sie, nicht die Patrizier;
Gebeugte Knie, nicht Arme müssen helfen.
Ach! durch das Elend werdet ihr verlockt,
Dahin, wo größres euch umfängt. Ihr lästert
Roms Lenker, die wie Väter für euch sorgen,
Wenn ihr wie Feinde sie verflucht.
Erster Bürger
. Für uns sorgen! – Nun, wahrhaftig! – Sie sorgten noch nie für uns. Uns verhungern lassen, und ihre Vorratshäuser sind vollgestopft mit Korn. Verordnungen machen gegen den Wucher, um die Wucherer zu unterstützen. Täglich irgendein heilsames Gesetz gegen die Reichen widerrufen und täglich schärfere Verordnungen ersinnen, die Armen zu fesseln und einzuzwängen. Wenn der Krieg uns nicht auffrißt, tun sie’s: das ist ihre ganze Liebe für uns.
Menenius
.
Entweder müßt ihr selbst
Als ungewöhnlich tückisch euch bekennen,
Sonst schelt’ ich euch als töricht. Ich erzähl’ euch
Ein hübsches Märchen: möglich, daß ihr’s kennt;
Doch, da’s hier eben her paßt, will ich wagen,
Es nochmals aufzuwärmen.
Erster Bürger
. Gut, wir wollen’s anhören, Herr. Ihr müßt aber nicht glauben, unser Unglück mit einem Märchen wegfopen zu können; doch, wenn Ihr wollt, her damit!
Menenius
.
Einstmals geschah’s, daß alle Leibesglieder,
Dem Bauch rebellisch, also ihn verklagten:
Daß er allein nur wie ein Schlund verharre
In Leibes Mitte, arbeitslos und müßig,
Die Speisen stets verschlingend, niemals tätig,
So wie die andern all’ –, – wo jene Kräfte
Säh’n, hörten, sprächen, dächten, gingen, fühlten
Und, wechselseitig unterstützt, dem Willen
Und allgemeinen Wohl und Nutzen dienten
Des ganzen Leibs. Der Bauch erwiderte –
Erster Bürger
. Gut, Herr, was hat der Bauch denn nun erwidert?
Menenius
.
Ich sag’ es gleich. – Mit einer Art von Lächeln,
Das nicht von Herzen ging, nur gleichsam so –
(Denn seht, ich kann den Bauch ja lächeln lassen
So gut als sprechen) gab er höhnisch Antwort
Den mißvergnügten Gliedern, die rebellisch
Die Einkünft’ ihm nicht gönnten; ganz so passend
Wie ihr auf unsre Senatoren scheltet,
Weil sie nicht sind wie ihr.
Erster Bürger
.
Des Bauches Antwort? Wie!
Das fürstlich hohe Haupt; das wache Auge;
Das Herz: der kluge Rat; der Arm: der Krieger;
Das Bein: das Roß; die Zunge: der Trompeter;
Nebst andern Ämtern noch und kleinern Hülfen
In diesem unserm Bau, wenn sie –
Menenius
.
Was denn,
Mein’ Treu’! der Mensch da schwatzt! Was denn? was denn?
Erster Bürger
.
So würden eingezwängt vom Fresser Bauch,
Der nur des Leibes Abfluß –
Menenius
.
Gut, was denn?
Erster Bürger
.
Die andern Kräfte, wenn sie nun so klagte
Der Bauch, was könnt’ er sagen?
Menenius
.
Ihr sollt’s hören.
Schenkt ihr ein bißchen, was ihr wenig habt,
Geduld, so sag’ ich euch des Bauches Antwort.
Erster Bürger
.
Ihr macht es lang.
Menenius
.
Jetzt paßt wohl auf, mein Freund!
Eu’r höchst verständ’ger Bauch, er war bedächtig,
Nicht rasch, gleich den Beschuld’gern, und sprach so:
»Wahr ist’s, ihr einverleibten Freunde«, sagt’ er,
»Zuerst nehm’ ich die ganze Nahrung auf,
Von der ihr alle lebt; und das ist recht,
Weil ich das Vorratshaus, die Werkstatt bin
Des ganzen Körpers. Doch bedenkt es wohl:
Durch eures Blutes Ströme send’ ich sie
Bis an den Hof, das Herz – den Thron, das Hirn,
Und durch des Körpers Gäng’ und Windungen
Empfängt der stärkste Nerv’, die feinste Ader
Von mir den angemeßnen Unterhalt,
Wovon sie leben. Und obwohl ihr alle –
Ihr guten Freund’«, – habt acht, dies sagt der Bauch!
Erster Bürger
.
Gut. Weiter!
Menenius
.
»Seht ihr auch nicht all’ auf eins,
Was jeder einzelne von mir empfängt,
Doch kann ich Rechnung legen, daß ich allen
Das feinste Mehl von allem wieder gebe
Und nur die Klei’ mir bleibt.« Wie meint ihr nun?
Erster Bürger
.
Das war ’ne Antwort. Doch wie paßt das hier?
Menenius
.
Roms Senatoren sind der gute Bauch,
Ihr die empörten Glieder; denn erwägt
Ihr Müh’n, ihr Sorgen; wohl bedenkt, was alles
Des Staates Vorteil heischt: so seht ihr ein,
Kein allgemeines Gut, was ihr empfangt,
Das nicht entsprang und kam zu
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