Sämtliche Dramen
unser Blutsfreund, schwärmten wir zu viel.
Drum laßt uns ein halb Dutzend Freunde laden,
Und damit gut. Wie dünkt Euch Donnerstag?
Paris
.
Mein Graf, ich wollte, Donnerstag wär’ morgen.
Capulet
.
Gut, geht nur heim! Sei’s denn am Donnerstag!
Geh, Frau, zu Julien, eh’ du schlafen gehst,
Bereite sie auf diesen Hochzeittag!
Lebt wohl, mein Graf!
Paris ab.
He! Licht auf meine Kammer!
Nach meiner Weise ist’s so spät, daß wir
Bald früh es nennen können. Gute Nacht!
Capulet und die Gräfin ab.
¶
Fünfte Szene
Juliens Zimmer.
Romeo und Julia.
Julia
.
Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang;
Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.
Glaub’, Lieber, mir: es war die Nachtigall.
Romeo
.
Die Lerche war’s, die Tagverkünderin,
Nicht Philomele; sieh den neid’schen Streif,
Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt:
Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
Der muntre Tag erklimmt die dunst’gen Höh’n:
Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.
Julia
.
Trau’ mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,
Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,
Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,
Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten;
Drum bleibe noch: zu gehn ist noch nicht Not.
Romeo
.
Laß sie mich greifen, ja, laß sie mich töten!
Ich gebe gern mich drein, wenn du es willst.
Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge,
Der bleiche Abglanz nur von Cynthias Stirn.
Das ist auch nicht die Lerche, deren Schlag
Hoch über uns des Himmels Wölbung trifft.
Ich bleibe gern: zum Gehn bin ich verdrossen.
Willkommen, Tod! hat Julia dich beschlossen. –
Nun, Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir.
Julia
.
Es tagt, es tagt! Auf! eile! fort von hier!
Es ist die Lerche, die so heiser singt
Und falsche Weisen, rauhen Mißton gurgelt.
Man sagt, der Lerche Harmonie sei süß;
Nicht diese: sie zerreißt die unsre ja.
Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte
Die Augen: möchte sie doch auch die Stimme!
Die Stimm’ ist’s ja, die Arm aus Arm uns schreckt,
Dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt.
Stets hell und heller wird’s: wir müssen scheiden.
Romeo
.
Hell? Dunkler stets und dunkler unsre Leiden!
Die Wärterin kommt herein.
Wärterin
.
Fräulein!
Julia
.
Amme?
Wärterin
.
Die gnäd’ge Gräfin kömmt in Eure Kammer;
Seid auf der Hut: schon regt man sich im Haus.
Wärterin ab.
Julia
das Fenster öffnend.
Tag, schein’ herein! und Leben, flieh’ hinaus!
Romeo
.
Ich steig’ hinab: laß dich noch einmal küssen!
Er steigt aus dem Fenster.
Julia
aus dem Fenster ihm nachsehend.
Freund! Gatte! Trauter! Bist du mir entrissen?
Gib Nachricht jeden Tag zu jeder Stunde;
Schon die Minut’ enthält der Tage viel.
Ach, so zu rechnen, bin ich hoch in Jahren,
Eh’ meinen Romeo ich wiederseh’.
Romeo
außerhalb.
Leb wohl! Kein Mittel lass’ ich aus den Händen,
Um dir, du Liebe, meinen Gruß zu senden.
Julia
.
O denkst du, daß wir je uns wiedersehn?
Romeo
.
Ich zweifle nicht, und all dies Leiden dient
In Zukunft uns zu süßerem Geschwätz.
Julia
.
O Gott! ich hab’ ein Unglück ahndend Herz.
Mir deucht, ich säh’ dich, da du unten bist,
Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe.
Mein Auge trügt mich oder du bist bleich.
Romeo
.
So, Liebe, scheinst du meinen Augen auch.
Der Schmerz trinkt unser Blut. Leb wohl! leb wohl!
Ab.
Julia
.
O Glück! ein jeder nennt dich unbeständig;
Wenn du es bist: was tust du mit dem Treuen?
Sei unbeständig, Glück! Dann hältst du ihn
Nicht lange, hoff’ ich, sendest ihn zurück.
Gräfin Capulet
hinter der Szene.
He, Tochter, bist du auf?
Julia
.
Wer ruft mich? Ist es meine gnäd’ge Mutter?
Wacht sie so spät noch, oder schon so früh?
Welch ungewohnter Anlaß bringt sie her?
Die Gräfin Capulet kommt herein.
Gräfin Capulet
.
Nun, Julia! wie geht’s?
Julia
.
Mir ist nicht wohl.
Gräfin Capulet
.
Noch immer weinend um des Vetters Tod?
Willst du mit Tränen aus der Gruft ihn waschen?
Und könntest du’s, das rief’ ihn nicht ins Leben:
Drum laß das; trauern zeugt von vieler Liebe,
Doch zu viel trauern zeugt von wenig Witz.
Julia
.
Um einen Schlag, der so empfindlich traf.
Erlaubt zu weinen mir!
Gräfin Capulet
.
So trifft er dich;
Der Freund empfindet nichts, den du beweinst.
Julia
.
Doch ich empfind’, und muß den Freund beweinen.
Gräfin Capulet
.
Mein Kind, nicht seinen
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