Sämtliche Dramen
Frankreich
Sind darin ausgesucht und edler Sitte.
Kein Borger sei und auch Verleiher nicht:
Sich und den Freund verliert das Darlehn oft,
Und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab.
Dies über alles: sei dir selber treu,
Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage,
Du kannst nicht falsch sein gegen irgend wen.
Leb wohl! mein Segen fördre dies an dir!
Laertes
.
In Ehrerbietung nehm’ ich Abschied, Herr.
Polonius
.
Euch ruft die Zeit; geht, Eure Diener warten.
Laertes
.
Leb wohl, Ophelia, und gedenk’ an das,
Was ich dir sagte!
Ophelia
.
Es ist in mein Gedächtnis fest verschlossen,
Und Ihr sollt selbst dazu den Schlüssel führen.
Laertes
.
Lebt wohl.
Ab.
Polonius
.
Was ist’s, Ophelia, daß er Euch gesagt?
Ophelia
.
Wenn Ihr erlaubt, vom Prinzen Hamlet war’s.
Polonius
.
Ha, wohl bedacht!
Ich höre, daß er Euch seit kurzem oft
Vertraute Zeit geschenkt; und daß Ihr selbst
Mit Eurem Zutritt sehr bereit und frei wart.
Wenn dem so ist – und so erzählt man mir’s,
Und das als Warnung zwar –, muß ich Euch sagen,
Daß Ihr Euch selber nicht so klar versteht,
Als meiner Tochter ziemt und Eurer Ehre.
Was gibt es zwischen euch? Sagt mir die Wahrheit!
Ophelia
.
Er hat seither Anträge mir getan
Von seiner Zuneigung.
Polonius
.
Pah, Zuneigung! Ihr sprecht wie junges Blut,
In solchen Fährlichkeiten unbewandert.
Und glaubt Ihr den Anträgen, wie Ihr’s nennt?
Ophelia
.
Ich weiß nicht, Vater, was ich denken soll?
Polonius
.
So hört’s denn: denkt, Ihr seid ein dummes Ding,
Daß Ihr für bar Anträge habt genommen,
Die ohn’ Ertrag sind. Nein, betragt Euch klüger,
Sonst (um das arme Wort nicht tot zu hetzen)
Trägt Eure Narrheit noch Euch Schaden ein.
Ophelia
.
Er hat mit seiner Lieb’ in mich gedrungen,
In aller Ehr’ und Sitte.
Polonius
.
Ja, Sitte mögt Ihr’s nennen: geht mir, geht!
Ophelia
.
Und hat sein Wort beglaubigt, lieber Herr,
Beinah’ durch jeden heil’gen Schwur des Himmels.
Polonius
.
Ja, Sprenkel für die Drosseln! Weiß ich doch,
Wenn das Blut kocht, wie das Gemüt der Zunge
Freigebig Schwüre leiht. Dies Lodern, Tochter,
Mehr leuchtend als erwärmend, und erloschen
Selbst im Versprechen, während es geschieht,
Nehmt keineswegs für Feuer! Kargt von nun an
Mit Eurer jungfräulichen Gegenwart
Ein wenig mehr; schätzt Eure Unterhaltung
Zu hoch, um auf Befehl bereit zu sein!
Und was Prinz Hamlet angeht, traut ihm so:
Er sei noch jung, und habe freiern Spielraum,
Als Euch vergönnt mag werden. Kurz, Ophelia,
Traut seinen Schwüren nicht: denn sie sind Kuppler,
Nicht von der Farbe ihrer äußern Tracht,
Fürsprecher sündlicher Gesuche bloß,
Gleich frommen, heiligen Gelübden atmend,
Um besser zu berücken. Eins für alles:
Ihr sollt mir, grad’ heraus, von heute an
Die Muße keines Augenblicks so schmähn,
Daß Ihr Gespräche mit Prinz Hamlet pflöget.
Seht zu, ich sag’s Euch: geht nun Eures Weges!
Ophelia
.
Ich will gehorchen, Herr.
Ab.
¶
Vierte Szene
Die Terrasse.
Hamlet, Horatio und Marcellus treten auf.
Hamlet
.
Die Luft geht scharf, es ist entsetzlich kalt.
Horatio
.
’s ist eine schneidende und strenge Luft.
Hamlet
.
Was ist die Uhr?
Horatio
.
Ich denke, nah an zwölf.
Marcellus
.
Nicht doch, es hat geschlagen.
Horatio
.
Wirklich schon?
Ich hört’ es nicht; so rückt heran die Stunde
Worin der Geist gewohnt ist umzugehn.
Trompetenstoß und Geschütz abgefeuert hinter der Szene.
Was stellt das vor, mein Prinz?
Hamlet
.
Der König wacht die Nacht durch, zecht vollauf,
Hält Schmaus und taumelt den geräusch’gen Walzer;
Und wie er Züge Rheinweins niedergießt,
Verkünden schmetternd Pauken und Trompeten
Den ausgebrachten Trunk.
Horatio
.
Ist das Gebrauch?
Hamlet
.
Nun freilich wohl:
Doch meines Dünkens (bin ich eingeboren
Und drin erzogen schon) ist’s ein Gebrauch,
Wovon der Bruch mehr ehrt als die Befolgung.
Dies schwindelköpf’ ge Zechen macht verrufen
Bei andern Völkern uns in Ost und West;
Man heißt uns Säufer, hängt an unsre Namen
Ein schmutzig Beiwort; und fürwahr, es nimmt
Von unsern Taten, noch so groß verrichtet,
Den Kern und Ausbund unsers Wertes weg.
So geht es oft mit einzlen Menschen auch,
Daß sie durch ein Naturmal, das sie schändet,
Als etwa von Geburt (worin sie schuldlos,
Weil die Natur nicht ihren Ursprung wählt)
Ein Übermaß in ihres Blutes Mischung,
Das Dämm’ und Schanzen der Vernunft oft einbricht,
Auch wohl durch
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