Sämtliche Werke
wissen?
Alba (der sich indes wieder umgesehen hat) .
Es ist nichts natürlicher, als dass ein König durch sich zu herrschen gedenkt und denen seine Befehle am liebsten aufträgt, die ihn am besten verstehen, verstehen wollen, die seinen Willen unbedingt ausrichten.
Egmont .
Und ebenso natürlich ist’s, dass der Bürger von dem regiert sein will, der mit ihm geboren und erzogen ist, der gleichen Begriff mit ihm von Recht und Unrecht gefasst hat, den er als seinen Bruder ansehen kann.
Alba .
Und doch hat der Adel mit diesen seinen Brüdern sehr ungleich geteilt.
Egmont .
Das ist vor Jahrhunderten geschehen und wird jetzt ohne Neid geduldet. Würden aber neue Menschen ohne Not gesendet, die sich zum zweiten Male auf Unkosten der Nation bereichern wollten, sähe man sich einer strengen, kühnen, unbedingten Habsucht ausgesetzt: Das würde eine Gärung machen, die sich nicht leicht in sich selbst auflöste.
Alba .
Du sagst mir, was ich nicht hören sollte; auch ich bin fremd.
Egmont .
Dass ich dir’s sage, zeigt dir, dass ich dich nicht meine.
Alba .
Und auch so wünscht’ ich es nicht von dir zu hören. Der König sandte mich mit Hoffnung, dass ich hier den Beistand des Adels finden würde. Der König will seinen Willen. Der König hat nach tiefer Überlegung gesehen, was dem Volke frommt; es kann nicht bleiben und gehen wie bisher. Des Königs Absicht ist: Sie selbst zu ihrem eignen Besten einzuschränken, ihr eigenes Heil, wenn’s sein muss, ihnen aufzudringen, die schädlichen Bürger aufzuopfern, damit die übrigen Ruhe finden, des Glücks einer weisen Regierung genießen können. Dies ist sein Entschluss; diesen dem Adel kund zu machen, habe ich Befehl; und Rat verlang’ ich in seinem Namen, wie es zu tun sei, nicht was; denn das hat er beschlossen.
Egmont .
Leider rechtfertigen deine Worte die Furcht des Volkes, die allgemeine Furcht! So hat er denn beschlossen, was kein Fürst beschließen sollte. Die Kraft seines Volks, ihr Gemüt, den Begriff, den sie von sich selbst haben, will er schwächen, niederdrücken, zerstören, um sie bequem regieren zu können. Er will den innern Kern ihrer Eigenheit verderben; gewiss in der Absicht, sie glücklicher zu machen. Er will sie vernichten, damit sie etwas werden, ein ander Etwas. O wenn seine Absicht gut ist, so wird sie missgeleitet! Nicht dem Könige widersetzt man sich; man stellt sich nur dem Könige entgegen, der, einen falschen Weg zu wandeln, die ersten unglücklichen Schritte macht.
Alba .
Wie du gesinnt bist, scheint es ein vergeblicher Versuch, uns vereinigen zu wollen. Du denkst gering vom Könige und verächtlich von seinen Räten, wenn du zweifelst, das alles sei nicht schon gedacht, geprüft, gewogen worden. Ich habe keinen Auftrag, jedes Für und Wider noch einmal durchzugehen. Gehorsam fordre ich von dem Volke: – und von euch, ihr Ersten, Edelsten, Rat und Tat, als Bürgen dieser unbedingten Pflicht.
Egmont .
Fordre unsre Häupter, so ist es auf einmal getan. Ob sich der Nacken diesem Joche biegen, ob er sich vor dem Beile ducken soll, kann einer edeln Seele gleich sein. Umsonst hab’ ich so viel gesprochen: Die Luft hab’ ich erschüttert, weiter nichts gewonnen.
Ferdinand kommt.
Ferdinand .
Verzeiht, dass ich Euer Gespräch unterbreche. Hier ist ein Brief, dessen Überbringer die Antwort dringend macht.
Alba .
Erlaubt mir, dass ich sehe, was er enthält.
(Tritt an die Seite.)
Ferdinand (zu Egmont) .
Es ist ein schönes Pferd, das Eure Leute gebracht haben, Euch abzuholen.
Egmont .
Es ist nicht das schlimmste. Ich hab’ es schon eine Weile; ich denk’ es wegzugeben. Wenn es Euch gefällt, so werden wir vielleicht des Handels einig.
Ferdinand .
Gut, wir wollen sehn.
Alba winkt seinem Sohne, der sich in den Grund zurückzieht.
Egmont .
Lebt wohl! Entlasst mich; denn ich wüsste, bei Gott, nicht mehr zu sagen.
Alba .
Glücklich hat dich der Zufall verhindert, deinen Sinn noch weiter zu verraten. Unvorsichtig entwickelst du die Falten deines Herzens und klagst dich selbst weit strenger an, als ein Widersacher gehässig tun könnte.
Egmont .
Dieser Vorwurf rührt mich nicht; ich kenne mich selbst genug und weiß, wie ich dem König angehöre: Weit mehr als viele, die in seinem Dienst sich selber dienen. Ungern scheid’ ich aus diesem Streite, ohne ihn beigelegt zu sehen, und wünsche nur, dass uns der Dienst des Herrn, das Wohl des Landes bald vereinigen möge. Es wirkt vielleicht ein wiederholtes Gespräch,
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