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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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die Gegenwart der übrigen Fürsten, die heute fehlen, in einem glücklichern Augenblick, was heut unmöglich scheint. Mit dieser Hoffnung entfern’ ich mich.
    Alba (der zugleich seinem Sohn Ferdinand ein Zeichen gibt) .
    Halt, Egmont! – Deinen Degen! – (Die Mitteltür öffnet sich: Man sieht die Galerie mit Wache besetzt, die unbeweglich bleibt.)
    Egmont (der staunend eine Weile geschwiegen) .
    Dies war die Absicht? Dazu hast du mich berufen? (Nach dem Degen greifend, als wenn er sich verteidigen wollte.) Bin ich denn wehrlos?
    Alba .
    Der König befiehlt’s, du bist mein Gefangener.
    (Zugleich treten von beiden Seiten Gewaffnete herein.)
    Egmont (nach einer Stille) .
    Der König? – – Oranien! Oranien! (Nach einer Pause, seinen Degen hingebend.) So nimm ihn! Er hat weit öfter des Königs Sache verteidigt, als diese Brust beschützt. (Er geht durch die Mitteltür ab: Die Gewaffneten, die im Zimmer sind, folgen ihm; ingleichen Albas Sohn. Alba bleibt stehen. Der Vorhang fällt.)
     
 * 
Fünfter Aufzug
    (Straße. Dämmerung.)
    Klärchen . Brackenburg . Bürger .
    Brackenburg .
    Liebchen, um Gottes willen! Was nimmst du vor?
    Klärchen .
    Komm mit, Brackenburg! Du musst die Menschen nicht kennen; wir befreien ihn gewiss. Denn was gleicht ihrer Liebe zu ihm? Jeder fühlt, ich schwör’ es, in sich die brennende Begier, ihn zu retten, die Gefahr von einem kostbaren Leben abzuwenden und dem Freiesten die Freiheit wiederzugeben. Komm! Es fehlt nur an der Stimme, die sie zusammenruft. In ihrer Seele lebt noch ganz frisch, was sie ihm schuldig sind! Und dass sein mächtiger Arm allein von ihnen das Verderben abhält, wissen sie. Um seinet- und ihretwillen müssen sie alles wagen. Und was wagen wir? Zum höchsten unser Leben, das zu erhalten nicht der Mühe wert ist, wenn er umkommt.
    Brackenburg .
    Unglückliche! Du siehst nicht die Gewalt, die uns mit ehernen Banden gefesselt hat.
    Klärchen .
    Sie scheint mir nicht unüberwindlich. Lass uns nicht lang’ vergebliche Worte wechseln. Hier kommen von den alten, redlichen, wackern Männern! Hört, Freunde! Nachbarn, hört! – Sagt, wie ist es mit Egmont?
    Zimmermeister .
    Was will das Kind? Lass sie schweigen!
    Klärchen .
    Tretet näher, dass wir sachte reden, bis wir einig sind und stärker. Wir dürfen nicht einen Augenblick versäumen! Die freche Tyrannei, die es wagt, ihn zu fesseln, zuckt schon den Dolch, ihn zu ermorden. O Freunde! Mit jedem Schritt der Dämmerung werd’ ich ängstlicher. Ich fürchte diese Nacht! Kommt! Wir wollen uns teilen. Mit schnellem Lauf von Quartier zu Quartier rufen wir die Bürger heraus. Ein jeder greife zu seinen alten Waffen. Auf dem Markte treffen wir uns wieder, und unser Strom reißt einen jeden mit sich fort. Die Feinde sehen sich umringt und überschwemmt und sind erdrückt. Was kann uns eine Handvoll Knechte widerstehen? Und er in unsrer Mitte kehrt zurück, sieht sich befreit und kann uns einmal danken, uns, die wir ihm so tief verschuldet worden. Er sieht vielleicht – gewiss er sieht das Morgenrot am freien Himmel wieder.
    Zimmermeister .
    Wie ist dir, Mädchen?
    Klärchen .
    Könnt ihr mich missverstehn? Vom Grafen sprech’ ich! Ich spreche von Egmont.
    Jetter .
    Nennt den Namen nicht! Er ist tödlich.
    Klärchen .
    Den Namen nicht! Wie? Nicht diesen Namen? Wer nennt ihn nicht bei jeder Gelegenheit? Wo steht er nicht geschrieben? In diesen Sternen hab’ ich oft mit allen seinen Lettern ihn gelesen. Nicht nennen? Was soll das? Freunde! Gute, teure Nachbarn, ihr träumt; besinnt euch! Seht mich nicht so starr und ängstlich an! Blickt nicht schüchtern hie und da beiseite. Ich ruf’ euch ja nur zu, was jeder wünscht. Ist meine Stimme nicht eures Herzens eigne Stimme? Wer würfe sich in dieser bangen Nacht, eh’ er sein unruhvolles Bette besteigt, nicht auf die Knie, ihn mit ernstlichem Gebet vom Himmel zu erringen? Fragt euch einander! Frage jeder sich selbst! Und wer spricht mir nicht nach: „Egmonts Freiheit oder den Tod!“
    Jetter .
    Gott bewahr’ uns! Da gibt’s ein Unglück.
    Klärchen .
    Bleibt! Bleibt und drückt euch nicht vor seinem Namen weg, dem ihr euch sonst so froh entgegendrängtet! – Wenn der Ruf ihn ankündigte, wenn es hieß: „Egmont kommt! Er kommt von Gent!“, da hielten die Bewohner der Straßen sich glücklich, durch die er reiten musste. Und wenn ihr seine Pferde schallen hörtet, warf jeder seine Arbeit hin, und über die bekümmerten Gesichter, die ihr durchs Fenster stecktet,

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