Sämtliche Werke
ist. Wir andern, die wir wissen woran wir sind empfinden dabei eine gewisse Unbehaglichkeit und das Publikum kommt in eine Art von Schwanken, wodurch geringere Productionen in Avantage gesetzt werden. Lassen Sie das, was ich hier aus dem Stegreife sage, einen Text unserer künftigen Unterredung sein. Meyer verflucht, wie Sie aus der Beilage sehen werden, seinen hiesigen Aufenthalt, indessen wird ihm das Baden ganz wohl bekommen. Hätte er sich, statt Pyrmonter Wasser hier theuer in der Apotheke zu bezahlen, ein Kistchen Portwein, zur rechten Zeit, von Bremen verschrieben, so sollte es wohl anders mit ihm aussehen; aber es stehet geschrieben daß der freieste Mensch (also eben der vorurtheilfreieste) gerade an dem was seinen Leib betrifft, den Vorurtheilen unterliegen muß. Wir wollen daher nicht groß thun, weil uns dasselbige begegnen kann.
Die Hoffnung Sie hier zu sehen, welche früher erregt worden, ist unter den jungen Leuten sehr groß; doch weiß ich nicht recht wie und ob ich Sie einladen soll. Schreiben Sie mir mit dem rückkehrenden Boten, ob Sie einigermaßen Neigung hätten. Zu gewinnen ist freilich gar nichts für Sie und eine Zerstreuung macht es immer. Sonst sollte für ein artig Quartier und gutes Essen gesorgt sein. Und freilich wäre es hübsch wenn wir drei zusammen uns von unmittelbar angeschauten Gegenständen künftig unterhalten könnten.
Ich will diese Tage nach Halle hinüber, um es wo möglich, so wie vor dem Jahre Göttingen anzuschauen. Auch ist für mich im einzelnen daselbst viel zu gewinnen.
Mit Wolf habe ich schon das Büchlein von den Farben durchgegangen. Das Hauptresultat: daß, auch nach seinen Kriterien, das Werk ächt alt und der peripatetischen Schule werth sei, hat mich, wie Sie denken können, sehr gefreut, ja er mag es lieber dem Aristoteles als einem Nachfolger zuschreiben.
Er hält, so wie ich, dieses kleine Werk für ein in sich geschloßnes Ganze, das sogar durch Abschreiber wenig gelitten hat. Meine drei Conjecturen zu Verbesserung des Textes hat er gleich angenommen, und die eine besonders mit Vergnügen, da ich Weiß anstatt Schwarz setzen muß. Er habe, sagt er, wenn von solchen Verbesserungen die Rede gewesen, manchmal eben diesen Gegensatz, gleichsam als einen verwegnen Scherz gebraucht, und nun sei es doch äußerst lustig, daß sich in der Erfahrung wirklich ein Beispiel finde wo in den Codicibus Schwarz für Weiß stehe.
Da es ein unschätzbarer Gewinn wäre solch einen Mann näher zu haben, so will ich wenigstens das Verhältniß, so viel als möglich, anzunähern suchen, damit man sich verstehe und sich vertraue.
Noch einen schönen Gewinnst verspreche ich mir von dem Aufenthalt in Halle. Curt Sprengel, dessen Briefe über die Botanik ich, beinahe als das einzige Buch, in diesen vierzehn Tagen gelesen , ist eine eigne Art von Verstandsmenschen wie wir sie heißen, der durch den Verstand sich dergestalt in die Ecke treibt, daß er aufrichtig gestehen muß hier könne man nun eben nicht weiter; und er dürfte nur über sich sehen, so würde er empfinden wie ihm die Idee einen glücklichen Ausweg darbietet. Aber eben dieses Wirken des Verstands gegen sich selbst ist mir in Concreto noch nicht vorgekommen und es ist offenbar, daß auf diesem Wege die schönsten Versuche, Erfahrungen, Raisonnements, Scheidungen und Verknüpfungen vorkommen müssen. Was mich für ihn einnimmt ist die große Redlichkeit seinen Kreis durchzuarbeiten. Ich bin sehr neugierig ihn persönlich kennen zu lernen.
Hierbei schicke ich Ihnen das Werk von Brandes über den gegenwärtigen Zustand von Göttingen. Die Nüchternheit eines officiellen Berichtes ist freilich in diesem Werkchen sehr fühlbar; mir war das Ganze sehr angenehm als Recapitulation dessen was ich vor einem Jahre dort gewahr wurde. Aber fühlen hätte der Verfasser sollen daß man seine Arbeit mit gutem Willen lesen muß, deshalb der Ausfall besonders gegen uns nicht am rechten Flecke steht. Wenn die Göttinger in manchem genug und in keinem Falle zu viel thun, so läßt sich freilich darüber noch so ein diplomatisches Hokus Pokus machen. Wenn wir aber in vielem nicht genug und in manchem zu viel thun, so ist freilich unsere Situation keiner präsentablen Darstellung fähig; aber in wie fern sie respectabel ist und bleibt wollen wir die Herren schon gelegentlich fühlen lassen.
Ich muß schließen weil ich den Wildfang heute Abend noch zu sehen habe und weil ich sonst noch ein neues Blatt anfangen müßte. Leben Sie
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