Sämtliche Werke
gravitätischere und also zuverlässigere Leute, wie der Baron von Eckstein oder der Historiograph Capefigue, welche beide, wie oben bemerkt, ebenfalls Mitarbeiter der »Allgemeinen Zeitung« waren, mit Herrn Guizot in vieljährigem gesellschaftlichen Verkehr gestanden und gewiß ein delikates Vertrauen verdient hätten. Seit der erwähnten Unterredung habe ich Herrn Guizot nie wieder gesehen; nie sah ich seinen Sekretär oder sonst jemand, der in seinem Bureau arbeitete. Nur zufällig erfuhr ich einst, daß Herr Guizot von transrhenanischen Gesandtschaften oft und dringend angegangen worden, mich aus Paris zu entfernen. Nicht ohne Lachen konnte ich dann an die ärgerlichen Gesichter denken, welche jene Reklamanten geschnitten haben mochten, als sie entdeckten, daß der Minister, von welchem sie meine Ausweisung verlangt, mich obendrein durch ein Jahrgehalt unterstützte. Wie wenig derselbe wünschte, dieses edle Verfahren divulgiert zu sehen, begriff ich ohne besondern Wink, und diskrete Freunde, denen ich nichts verhehlen kann, teilten meine Schadenfreude.
Für diese Belustigung und die Großmut, womit er mich behandelt, war ich Herrn Guizot gewiß zu großem Dank verpflichtet. Doch als ich in meinem Glauben an seine Standhaftigkeit gegen königliche Zumutungen irre ward, als ich ihn vom Willen Ludwig Philipps allzu verderblich beherrscht sah und den großen, entsetzlichen Irrtum dieses autokratischen Starrwillens, dieses unheilvollen Eigensinns begriff: da würde wahrlich nicht der psychische Zwang der Dankbarkeit mein Wort gefesselt haben, ich hätte gewiß mit ehrfurchtsvoller Betrübnis die Mißgriffe gerügt, wodurch das allzu nachgiebige Ministerium, oder vielmehr der betörte König, das Land und die Welt dem Untergang entgegenführte. Aber es knebelten meine Feder auch brutale physische Hindernisse, und diese reelle Ursache meines Schweigens, meines Nichtschreibens, kann ich erst heute öffentlich enthüllen.
Ja, im Fall ich auch das Gelüste empfunden hätte, in der »Allgemeinen Zeitung« gegen das unselige Regierungssystem Ludwig Philipps nur eine Silbe drucken zu lassen, so wäre mir solches unmöglich gewesen, aus dem ganz einfachen Grunde: weil der kluge König schon vor dem 29. November gegen einen solchen verbrecherischen Korrespondenteneinfall, gegen ein solches Attentat, seine Maßregeln genommen, indem er höchstselbst geruhte, den damaligen Zensor der »Allgemeinen Zeitung« zu Augsburg nicht bloß zum Ritter, sondern sogar zum Offizier der französischen Ehrenlegion zu ernennen. So groß auch meine Vorliebe für den seligen König war, so fand doch der Augsburger Zensor, daß ich nicht genug liebte, und er strich jedes mißliebige Wort, und sehr viele meiner Artikel über die königliche Politik blieben ganz ungedruckt. Aber kurz nach der Februarrevolution, wo mein armer Ludwig Philipp ins Exil gewandert war, erlaubte mir weder die Pietät noch der Anstand die Veröffentlichung einer solchen Tatsache, selbst im Fall der Augsburger Zensor ihr sein Imprimatur verliehen hätte.
Ein anderes, ähnliches Geständnis gestattete damals nicht die Zensur des Herzens, die noch weit ängstlicher als die der »Allgemeinen Zeitung«. Nein, kurz nach dem Sturze Guizots durfte ich nicht öffentlich eingestehen, daß ich vorher auch aus Furcht schwieg. Ich mußte mir nämlich Anno 1844 gestehen, daß, wenn Herr Guizot von meiner Korrespondenz erführe und die darin enthaltene Kritik ihm einigermaßen mißfiele, der leidenschaftliche Mann wohl fähig gewesen wäre, die Gefühle der Großmut überwindend, dem unbequemen Kritiker in einer sehr summarischen Weise das Handwerk zu legen. Mit der Ausweisung des Korrespondenten aus Paris hätte auch seine Pariser Korrespondenz notwendigerweise ein Ende gehabt. In der Tat, Se. Magnifizenz hatte die Fasces der Gewalt in Händen, er konnte mir zu jeder Zeit das Consilium abeundi erteilen, und ich mußte dann auf der Stelle den Ranzen schnüren. Seine Pedelle in blauer Uniform mit zitronengelben Aufschlägen hätten mich bald meinen Pariser kritischen Studien entrissen und bis an jene Pfähle begleitet, »die wie das Zebra sind gestreift«, wo mich andere Pedelle mit noch viel fataleren Livreen und germanisch ungeschliffenern Manieren in Empfang genommen hätten, um mir die Honneurs des Vaterlandes zu machen – –
Aber, unglücklicher Poet, warst du nicht durch deine französische Naturalisation hinlänglich geschützt gegen solche Ministerwillkür?
Ach, die
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