Sämtliche Werke
Schau stellen, da darin einer ihrer befreundeten Korrespondenten nicht minder bedenklich bloßgestellt war. Ich weiß nicht, ob sie der Meinung gewesen, daß sie mir durch den Abdruck schmählicher, aber haltloser Beschuldigungen einen Dienst erweise, indem sie mir dadurch Gelegenheit böte, jedem unwürdigen Gerede, jeder im Nebel schleichenden Insinuation mit einer bestimmten Erklärung entgegenzutreten – genug, die Redaktion der »Allgemeinen Zeitung« druckte den eingesandten Korruptionsartikel, doch sie begleitete denselben mit einer Note, worin sie in bezug auf meine Pension die Bemerkung machte, »daß ich dieselbe in keinem Falle für das, was ich schrieb, sondern nur für das, was ich
nicht
schrieb, empfangen haben könne«.
Ach, diese gewiß wohlgemeinte, aber wegen ihrer allzu witzigen Abfassung sehr verunglückte Ehrenrettungsnote war ein wahres pavé, ein Pflasterstein, wie die französischen Journalisten in ihrer Koteriesprache eine ungeschickte Verteidigung nennen, welche den Verteidigten totschlägt, wie es der Bär in der Fabel tat, als er von der Stirn des schlafenden Freundes eine Schmeißfliege verscheuchen wollte und mit dem Quaderstein, den er auf sie schleuderte, auch das Hirn des Schützlings zerschmetterte.
Das augsburgische pavé mußte mich empfindlicher verletzen als der Korrespondenzartikel der armseligen Schmeißfliege, und in der Erklärung, die ich damals, wie oben erwähnt, in der »Allgemeinen Zeitung« drucken ließ, sagte ich darüber folgende Worte: »Die Redaktion der ›Allgemeinen Zeitung‹ begleitet jene Korrespondenz mit einer Note, worin sie vielmehr die Meinung ausspricht, daß ich nicht für das, was ich schrieb, jene Unterstützung empfangen haben möge, sondern für das, was ich
nicht schrieb
. Die Redaktion der ›Allgemeinen Zeitung‹, die seit zwanzig Jahren nicht sowohl durch das, was sie von mir druckte, als vielmehr durch das, was sie
nicht druckte
, hinlänglich Gelegenheit hatte, zu merken, daß ich nicht der servile Schriftsteller bin, der sich sein Stillschweigen bezahlen läßt – besagte Redaktion hätte mich wohl mit jener levis nota verschonen können.«
Zeit, Ort und Umstände erlaubten damals keine weitern Erörterungen, doch heute, wo alle Rücksichten erloschen, ist es mir erlaubt, noch viel tatsächlicher darzutun, daß ich weder für das, was ich schrieb, noch für das, was ich
nicht
schrieb, vom Ministerium Guizot bestochen sein konnte. Für Menschen, die mit dem Leben abgeschlossen, haben solche retrospektive Rechtfertigungen einen sonderbar wehmütigen Reiz, und ich überlasse mich demselben mit träumerischer Indolenz. Es ist mir zu Sinne, als ob ich einem Längstverstorbenen eine fromme Genugtuung verschaffe; jedenfalls stehen hier am rechten Platze die folgenden Erläuterungen über französische Zustände zur Zeit des Ministeriums Guizot.
Das Ministerium vom 29. November 1840 sollte man eigentlich nicht das Ministerium Guizot, sondern vielmehr das Ministerium Soult nennen, da letzterer Präsident des Ministerkonseils war. Aber Soult war nur dessen Titularoberhaupt, ungefähr wie der jedesmalige König von Hannover immer den Titel eines Rektors der Universität Georgia Augusta führt, während Se. Magnifizenz, der zeitliche Prorektor zu Göttingen, die wirkliche Rektoratsgewalt ausübt. Trotz der offiziellen Machtvollkommenheit Soults war von ihm nie die Rede; nur daß zuweilen die liberalen Blätter, wenn sie mit ihm zufrieden waren, ihn den Sieger von Toulouse nannten; hatte er aber ihr Mißfallen erregt, so verhöhnten sie ihn, steif und fest behauptend, daß er die Schlacht bei Toulouse
nicht
gewonnen habe. Man sprach nur von Guizot, und dieser stand während mehren Jahren im Zenit seiner Popularität bei der Bourgeoisie, die von der Kriegslust seines Vorgängers ins Bockshorn gejagt worden; es versteht sich von selbst, daß der Nachfolger von Thiers noch größere Sympathie jenseits des Rheins erregte. Wir Deutschen konnten dem Thiers nicht verzeihen, daß er uns aus dem Schlaf getrommelt, aus unserm gemütlichen Pflanzenschlaf, und wir rieben uns die Augen und riefen: »Vivat Guizot!« Besonders die Gelehrten sangen das Lob desselben, in Pindarschen Hymnen, wo auch die Prosodie, das antike Silbenmaß, treu nachgeahmt war, und ein hier durchreisender deutscher Professor der Philologie versicherte mir, daß Guizot ebensogroß sei wie Thiersch. Ja, ebensogroß wie mein lieber, menschenfreundlicher Freund Thiersch, der Verfasser der
Weitere Kostenlose Bücher