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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Enthusiasmus für die Sache Polens, und als dieses mutige Land unterlag, trotz der wunderbarsten Tapferkeit seiner Helden, da brachen bei Börne alle Dämme der Geduld und Vernunft. Das ungeheure Schicksal so vieler edlen Märtyrer der Freiheit, die, in langen Trauerzügen Deutschland durchwandernd, sich in Paris versammelten, war in der Tat geeignet, ein edel gefühlvolles Herz bis in seine Tiefen zu bewegen. Aber was brauch ich dich, teurer Leser, an diese Betrübnisse zu erinnern, du hast in Deutschland den Durchzug der Polen mit eignen tränenden Augen angesehen, und du weißt, wie das ruhige, stille deutsche Volk, das die eignen Landesnöten so geduldig erträgt, bei dem Anblick der unglücklichen Sarmaten von Mitleid und Zorn so gewaltig erschüttert wurde und so sehr außer Fassung kam, daß wir nahe daran waren, für jene Fremden das zu tun, was wir nimmermehr für uns selber täten, nämlich die heiligsten Untertanspflichten beiseite zu setzen und eine Revolution zu machen… zum Besten der Polen.
    Ja, mehr als alle obrigkeitliche Plackereien und demagogische Schriften hat der Durchzug der Polen den deutschen Michel revolutioniert, und es war ein großer Fehler der respektiven deutschen Regierungen, daß sie jenen Durchzug in der bekannten Weise gestatteten. Der größere Fehler freilich bestand darin, daß sie die Polen nicht längere Zeit in Deutschland verweilen ließen; denn diese Ritter der Freiheit hätten bei verlängertem Aufenthalt jene bedenkliche, höchst bedrohliche Sympathie, die sie den Deutschen einflößten, selber wieder zerstört. Aber sie zogen rasch durchs Land, hatten keine Zeit, durch Dichtung und Wahrheit einer den anderen zu diskreditieren, und sie hinterließen die staatsgefährlichste Aufregung.
    Ja, wir Deutschen waren nahe daran, eine Revolution zu machen, und zwar nicht aus Zorn und Not, wie andere Völker, sondern aus Mitleid, aus Sentimentalität, aus Rührung für unsere armen Gastfreunde, die Polen. Tatsüchtig schlugen unsre Herzen, wenn diese uns am Kamin erzählten, wieviel sie ausgestanden von den Russen, wieviel Elend, wieviel Knutenschläge… bei den Schlägen horchten wir noch sympathetischer, denn eine geheime Ahnung sagte uns, die russischen Schläge, welche jene Polen bereits empfangen, seien dieselben, die wir in der Zukunft noch zu bekommen haben. Die deutschen Mütter schlugen angstvoll die Hände über den Kopf, als sie hörten, daß der Kaiser Nikolas, der Menschenfresser, alle Morgen drei kleine Polenkinder verspeise, ganz roh, mit Essig und Öl. Aber am tiefsten erschüttert waren unsre Jungfrauen, wenn sie im Mondschein an der Heldenbrust der polnischen Märtyrer lagen und mit ihnen jammerten und weinten über den Fall von Warschau und den Sieg der russischen Barbaren… Das waren keine frivole Franzosen, die bei solchen Gelegenheiten nur schäkerten und lachten… nein, diese larmoyanten Schnurrbärte gaben auch etwas fürs Herz, sie hatten Gemüts und nichts gleicht der holden Schwärmerei, womit deutsche Mädchen und Frauen ihre Bräutigame und Gatten beschworen, so schnell als möglich eine Revolution zu machen… zum Besten der Polen..
    Eine Revolution ist ein Unglück, aber ein noch größeres Unglück ist eine verunglückte Revolution; und mit einer solchen bedrohte uns die Einwanderung jener nordischen Freunde, die in unsere Angelegenheiten alle jene Verwirrung und Unzuverlässigkeit gebracht hätte, wodurch sie selber daheim zugrunde gegangen. Ihre Einmischung wäre uns um so verderblicher geworden, da die deutsche Unerfahrenheit sich von den Ratschlägen jener kleinen polnischen Schlauheit, die sich für politische Einsicht ausgibt, gern leiten ließ und gar die deutsche Bescheidenheit, bestochen von jener flinken Ritterlichkeit, die den Polen eigen ist, diesen letztern die wichtigsten Führerstellen vertraut hätte. – Ich habe mich damals, in dieser Beziehung, über die Popularität der Polen nicht wenig geängstigt. Es hat sich vieles seitdem geändert, und gar für die Zukunft, für die deutschen Freiheitsinteressen einer spätern Zeit, braucht man die Popularität der Polen wenig zu fürchten. Ach nein, wenn einst Deutschland sich wieder rüttelt, und diese Zeit wird dennoch kommen, dann werden die Polen kaum noch dem Namen nach existieren, sie werden ganz mit den Russen verschmolzen sein, und als solche werden wir uns auf donnernden Schlachtfeldern wieder begegnen… und sie werden für uns minder gefährlich sein als Feinde denn als

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