Sämtliche Werke
in wie viele Klatschereien mußte ich mich mischen! Welche rastlose Eitelkeit, welche Freude an der Lüge, welche küssende Verräterei, welche giftige Blumen! Jene Damen wußten mir alle Lust und Liebe zu verleiden, und ich wurde auf einige Zeit ein Weiberfeind, der das ganze Geschlecht verdammte. Es erging mir fast wie dem französischen Offiziere, der im russischen Feldzuge sich nur mit Mühe aus den Eisgruben der Beresina gerettet hatte, aber seitdem gegen alles Gefrorene eine solche Antipathie bekommen, daß er jetzt sogar die süßesten und angenehmsten Eissorten von Tortoni mit Abscheu von sich wies. Ja, die Erinnerung an die Beresina der Liebe, die ich damals passierte, verleidete mir einige Zeit sogar die köstlichsten Damen, Frauen wie Engel, Mädchen wie Vanillensorbett.«
»Ich bitte Sie«, rief Maria, »schmähen Sie nicht die Weiber. Das sind abgedroschene Redensarten der Männer. Am Ende, um glücklich zu sein, bedürft ihr dennoch der Weiber.«
»Oh«, seufzte Maximilian, »das ist freilich wahr. Aber die Weiber haben leider nur eine einzige Art, wie sie uns glücklich machen können, während sie uns auf dreißigtausend Arten unglücklich zu machen wissen.«
»Teurer Freund«, erwiderte Maria, indem sie ein leises Lächeln verbiß, »ich spreche von dem Einklange zweier gleichgestimmten Seelen. Haben Sie dieses Glück nie empfunden? … Aber ich sehe eine ungewöhnte Röte über Ihre Wangen ziehen… Sprechen Sie… Max?«
»Es ist wahr, Maria, ich fühle mich fast knabenhaft befangen, da ich Ihnen die glückliche Liebe gestehen soll, die mich einst unendlich beseligt hat! Diese Erinnerung ist mir noch nicht verloren, und in ihren kühlen Schatten flüchtet sich noch oft meine Seele, wenn der brennende Staub und die Tageshitze des Lebens unerträglich wird. Ich bin aber nicht imstande, Ihnen von dieser Geliebten einen richtigen Begriff zu geben. Sie war so ätherischer Natur, daß sie sich mir nur im Traume offenbaren konnte. Ich denke, Maria, sie hegen kein banales Vorurteil gegen Träume; diese nächtlichen Erscheinungen haben wahrlich ebensoviel Realität wie jene roheren Gebilde des Tages, die wir mit Händen antasten können und woran wir uns nicht selten beschmutzen. Ja, es war im Traume, wo ich sie sah, jenes holde Wesen, das mich am meisten auf dieser Welt beglückt hat. Über ihre Äußerlichkeit weiß ich wenig zu sagen. Ich bin nicht imstande, die Form ihrer Gesichtszüge ganz genau anzugeben. Es war ein Gesicht, das ich nie vorher gesehen und das ich nachher nie wieder im Leben erblickte. Soviel erinnere ich mich, es war nicht weiß und rosig, sondern ganz einfarbig, ein sanft angerötetes Blaßgelb und durchsichtig wie Kristall. Die Reize dieses Gesichtes bestanden weder im strengen Schönheitsmaß noch in der interessanten Beweglichkeit; sein Charakter bestand vielmehr in einer bezaubernden, entzückenden, fast erschreckenden Wahrhaftigkeit. Es war ein Gesicht voll bewußter Liebe und graziöser Güte, es war mehr eine Seele als ein Gesicht, und deshalb habe ich die äußere Form mir nie ganz vergegenwärtigen können. Die Augen waren sanft wie Blumen. Die Lippen etwas bleich, aber anmutig gewölbt. Sie trug ein seidnes Peignoir von kornblauer Farbe; aber hierin bestand auch ihre ganze Bekleidung; Hals und Füße waren nackt, und durch das weiche, dünne Gewand lauschte manchmal, wie verstohlen, die schlanke Zartheit der Glieder. Die Worte, die wir miteinander gesprochen, kann ich mir ebenfalls nicht mehr verdeutlichen; soviel weiß ich, daß wir uns verlobten und daß wir heiter und glücklich, offenherzig und traulich, wie Bräut’gam und Braut, ja fast wie Bruder und Schwester, miteinander kosten. Manchmal aber sprachen wir gar nicht mehr und sahen uns einander an, Aug in Auge, und in diesem beseligenden Anschauen verharrten wir ganze Ewigkeiten… Wodurch ich erwacht bin, kann ich ebenfalls nicht sagen, aber ich schwelgte noch lange Zeit in dem Nachgewühle dieses Liebesglücks. Ich war lange wie getränkt von unerhörten Wonnen, die schmachtende Tiefe meines Herzens war wie gefüllt mit Seligkeit, eine mir unbekannte Freude schien über alle meine Empfindungen ausgegossen, und ich blieb froh und heiter, obgleich ich die Geliebte in meinen Träumen niemals wiedersah. Aber hatte ich nicht in ihrem Anblick ganze Ewigkeiten genossen? Auch kannte sie mich zu gut, um nicht zu wissen, daß ich keine Wiederholungen liebe.«
»Wahrhaftig«, rief Maria, »Sie sind ein homme à bonne
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