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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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vielen Beifall gefunden, aber ich zweifle, ob er irgendwo eine starke Leidenschaft geweckt hat. Für mich selber hatte seine Erscheinung immer etwas spaßhaft Ungenießbares, dessen Grund wohl zunächst in seinem Französischsprechen zu finden war. Obgleich Bellini schon mehre Jahre in Frankreich gelebt, sprach er doch das Französische so schlecht, wie es vielleicht kaum in England gesprochen werden kann. Ich sollte dieses Sprechen nicht mit dem Beiwort ›schlecht‹ bezeichnen; schlecht ist hier viel zu gut. Man muß entsetzlich sagen, blutschänderisch, weltuntergangsmäßig. Ja, wenn man mit ihm in Gesellschaft war und er die armen französischen Worte wie ein Henker radebrach und unerschütterlich seine kolossalen coq-à-l’âne auskramte, so meinte man manchmal, die Welt müsse mit einem Donnergekrache untergehen… Eine Leichenstille herrschte dann im ganzen Saale; Todesschreck malte sich auf allen Gesichtern, mit Kreidefarbe oder mit Zinnober; die Frauen wußten nicht, ob sie in Ohnmacht fallen oder entfliehen sollten; die Männer sahen bestürzt nach ihren Beinkleidern, um sich zu überzeugen, daß sie wirklich dergleichen trugen; und was das Furchtbarste war, dieser Schreck erregte zu gleicher Zeit eine konvulsive Lachlust, die sich kaum verbeißen ließ. Wenn man daher mit Bellini in Gesellschaft war, mußte seine Nähe immer eine gewisse Angst einflößen, die, durch einen grauenhaften Reiz, zugleich abstoßend und anziehend war. Manchmal waren seine unwillkürlichen Calembours bloß belustigender Art, und in ihrer possierlichen Abgeschmacktheit erinnerten sie an das Schloß seines Landsmannes, des Prinzen Pallagonien, welches Goethe in seiner ›Italienischen Reise‹ als ein Museum von barocken Verzerrtheiten und ungereimt zusammengekoppelten Mißgestalten schildert. Da Bellini bei solchen Gelegenheiten immer etwas ganz Harmloses und ganz Ernsthaftes gesagt zu haben glaubte, so bildete sein Gesicht mit seinem Worte eben den allertollsten Kontrast. Das, was mir an seinem Gesichte mißfallen konnte, trat dann um so schneidender hervor. Das, was mir da mißfiel, war aber nicht von der Art, daß es just als ein Mangel bezeichnet werden könnte, und am wenigsten mag es wohl den Damen ebenfalls unerfreusam gewesen sein. Bellinis Gesicht, wie seine ganze Erscheinung, hatte jene physische Frische, jene Fleischblüte, jene Rosenfarbe, die auf mich einen unangenehmen Eindruck macht, auf mich, der ich vielmehr das Totenhafte und das Marmorne liebe. Erst späterhin, als ich Bellini schon lange kannte, empfand ich für ihn einige Neigung. Dieses entstand namentlich, als ich bemerkte, daß sein Charakter durchaus edel und gut war. Seine Seele ist gewiß rein und unbefleckt geblieben von allen häßlichen Berührungen. Auch fehlte ihm nicht die harmlose Gutmütigkeit, das Kindliche, das wir bei genialen Menschen nie vermissen, wenn sie auch dergleichen nicht für jedermann zur Schau tragen.«
    »Ja, ich erinnere mich«, fuhr Maximilian fort, indem er sich auf den Sessel niederließ, an dessen Lehne er sich bis jetzt aufrecht gestützt hatte, »ich erinnere mich eines Augenblicks, wo mir Bellini in einem so liebenswürdigen Lichte erschien, daß ich ihn mit Vergnügen betrachtete und mir vornahm, ihn näher kennenzulernen. Aber es war leider der letzte Augenblick, wo ich ihn in diesem Leben sehen sollte. Dieses war eines Abends, nachdem wir im Hause einer großen Dame, die den kleinsten Fuß in Paris hat, miteinander gespeist und sehr heiter geworden und am Fortepiano die süßesten Melodien erklangen… Ich sehe ihn noch immer, den guten Bellini, wie er, endlich erschöpft von den vielen tollen Bellinismen, die er geschwatzt, sich auf einen Sessel niederließ… Dieser Sessel war sehr niedrig, fast wie ein Bänkchen, so daß Bellini dadurch gleichsam zu den Füßen einer schönen Dame zu sitzen kam, die sich, ihm gegenüber, auf ein Sofa hingestreckt hatte und mit süßer Schadenfreude auf Bellini hinabsah, während dieser sich abarbeitete, sie mit einigen französischen Redensarten zu unterhalten, und er immer in die Notwendigkeit geriet, das, was er eben gesagt hatte, in seinem sizilianischen Jargon zu kommentieren, um zu beweisen, daß es keine Sottise, sondern im Gegenteil die feinste Schmeichelei gewesen sei. Ich glaube, daß die schöne Dame auf Bellinis Redensarten gar nicht viel hinhörte; sie hatte ihm sein spanisches Röhrchen, womit er seiner schwachen Rhetorik manchmal zu Hülfe kommen wollte, aus den

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