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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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jetzt ganz sicher sein, daß keiner derselben über den Kanal fliegt, und der hohe Adel und die hohe Kirche sollten jetzt wenigstens die Schulden bezahlen, die für ihr eignes Interesse und nicht für das arme Volk gemacht worden sind. Ach! das arme Volk –«
    Immer, wenn er an »das arme Volk« kam, seufzte Mister White noch tiefer, und der Refrain war dann, daß das Brot und der Porter so teuer sei und daß das arme Volk verhungern müsse, um dicke Lords, Jagdhunde und Pfaffen zu füttern, und daß es nur
eine
Hülfe gäbe. Bei diesen Worten pflegte er auch das Messer zu schleifen, und während er es über das Schleifleder hin- und herzog, murmelte er ingrimmig langsam: »Lords, Hunde, Pfaffen!«
    Gegen den Duke of Wellington kochte aber sein radikaler Zorn immer am heftigsten, er spuckte Gift und Galle, sobald er auf diesen zu sprechen kam, und wenn er mich unterdessen einseifte, so geschah es mit schäumender Wut. Einst wurde ich ordentlich bange, als er mich just nahe beim Halse barbierte, während er so heftig gegen Wellington loszog und beständig dazwischen murmelte: »Hätte ich ihn nur so unterm Messer, ich würde ihm die Mühe ersparen, sich selbst die Kehle abzuschneiden, wie sein Amtsbruder und Landsmann Londonderry, der sich die Kehle abgeschnitten zu Nordkray in der Grafschaft Kent – Gott verdamm’ ihn.«
    Ich fühlte schon, wie die Hand des Mannes zitterte, und aus Furcht, daß er in der Leidenschaft sich plötzlich einbilden könnte, ich sei der Duke of Wellington, suchte ich seine Heftigkeit herabzustimmen und ihn unterderhand zu besänftigen. Ich nahm seinen Nationalstolz in Anspruch, ich stellte ihm vor, daß Wellington den Ruhm der Engländer befördert, daß er immer nur eine unschuldige Maschine in dritten Händen gewesen sei, daß er gern Beefsteaks esse und daß er endlich – Gott weiß, was ich noch mehr von Wellington rühmte, als mir das Messer an der Kehle stand.
    *
    Was mich am meisten ärgert, ist der Gedanke, daß Arthur Wellington ebenso unsterblich wird wie Napoleon Bonaparte. Ist doch, in ähnlicher Weise, der Name Pontius Pilatus ebenso unvergeßlich geblieben wie der Name Christi. Wellington und Napoleon! Es ist ein wunderbares Phänomen, daß der menschliche Geist sich beide zu gleicher Zeit denken kann. Es gibt keine größern Kontraste als diese beiden, schon in ihrer äußeren Erscheinung. Wellington, das dumme Gespenst, mit einer aschgrauen Seele in einem steifleinenen Körper, ein hölzernes Lächeln in dem frierenden Gesichte – daneben denke man sich das Bild Napoleons, jeder Zoll ein Gott!
    Nie schwindet dieses Bild aus meinem Gedächtnisse. Ich sehe ihn immer noch hoch zu Roß, mit den ewigen Augen in dem marmornen Imperatorgesichte, schicksalruhig hinabblickend auf die vorbeidefilierende Garden – er schickte sie damals nach Rußland, und die alten Grenadiere schauten zu ihm hinauf, so schauerlich ergeben, so mitwissend ernst, so todesstolz –
    Te, Caesar, morituri salutant!
    Manchmal überschleicht mich geheimer Zweifel, ob ich ihn wirklich selbst gesehen, ob wir wirklich seine Zeitgenossen waren, und es ist mir dann, als ob sein Bild, losgerissen aus dem kleinen Rahmen der Gegenwart, immer stolzer und herrischer zurückweiche in vergangenheitliche Dämmerung. Sein Name schon klingt uns wie eine Kunde der Vorwelt und ebenso antik und heroisch wie die Namen Alexander und Cäsar. Er ist schon ein Losungswort geworden unter den Völkern, und wenn der Orient und der Okzident sich begegnen, so verständigen sie sich durch diesen einzigen Namen.
    Wie bedeutsam und magisch alsdann dieser Name erklingen kann, das empfand ich aufs tiefste, als ich einst im Hafen von London, wo die indischen Docks sind, an Bord eines Ostindienfahrers stieg, der eben aus Bengalen angelangt war. Es war ein riesenhaftes Schiff und zahlreich bemannt mit Hindostanern. Die grotesken Gestalten und Gruppen, die seltsam bunten Trachten, die rätselhaften Mienen, die wunderlichen Leibesbewegungen, der wildfremde Klang der Sprache, des Jubels und des Lachens, dabei wieder der Ernst auf einigen sanftgelben Gesichtern, deren Augen, wie schwarze Blumen, mich mit abenteuerlicher Wehmut ansahen – alles das erregte in mir ein Gefühl wie Verzauberung, ich war plötzlich wie versetzt in Scheherezades Märchen, und ich meinte schon, nun müßten auch breitbläterige Palmen und langhälsige Kamele und goldbedeckte Elefanten und andre fabelhafte Bäume und Tiere zum Vorschein kommen. Der Superkargo, der

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