Sämtliche Werke
heitere Gestalt. Wie schön, klar und farbenreich sind eure Volkssagen in Vergleichung mit den unsrigen, diesen Mißgeburten, die aus Blut und Nebel bestehen und uns so grau und grausam angrinsen. Unsere mittelalterlichen Dichter, indem sie meistens Stoffe wählten, die ihr, in der Bretagne und in der Normandie, entweder ersonnen oder zuerst behandelt habt, verliehen ihren Werken, vielleicht absichtlich, soviel als möglich von jenem heiter altfranzösischen Geiste. Aber in unseren Nationaldichtungen und in unseren mündlichen Volkssagen blieb jener düster nordische Geist, von dem ihr kaum eine Ahnung habt. Ihr habt, ebenso wie wir, mehrere Sorten von Elementargeistern, aber die unsrigen sind von den eurigen so verschieden wie ein Deutscher von einem Franzosen. Die Dämonen in euren Fabliaux und Zauberromanen, wie hellfarbig und besonders wie reinlich sind sie in Vergleichung mit unserer grauen und sehr oft unflätigen Geisterkanaille. Eure Feen und Elementargeister, woher ihr sie auch bezogen, aus Cornwallis oder aus Arabien, sie sind doch ganz naturalisiert, und ein französischer Geist unterscheidet sich von einem deutschen, wie etwa ein Dandy, der mit gelben Glacéhandschuhen auf dem Boulevard Coblence flaniert, sich von einem schweren deutschen Sackträger unterscheidet. Eure Nixen, z.B. die Melusine, sind von den unsrigen ebenso verschieden wie eine Prinzessin von einer Wäscherin. Die Fee Morgana, wie würde sie erschrecken, wenn sie etwa einer deutschen Hexe begegnete, die nackt, mit Salben beschmiert und auf einem Besenstiel nach dem Brocken reitet. Dieser Berg ist kein heiteres Avalon, sondern ein Rendezvous für alles, was wüst und häßlich ist. Auf dem Gipfel des Bergs sitzt Satan in der Gestalt eines schwarzen Bocks. Jede von den Hexen naht sich ihm mit einer Kerze in der Hand und küßt ihn hinten, wo der Rücken aufhört. Nachher tanzt die verruchte Schwesterschaft um ihn herum und singt: »Donderemus, Donderemus!« Es meckert der Bock, es jauchzt der infernale Chahut. Es ist ein böses Omen für die Hexe, wenn sie bei diesem Tanze einen Schuh verliert; das bedeutet, daß sie noch im selbigen Jahr verbrannt wird. Doch alle ahnende Angst übertäubt die tolle echtberliozische Sabbatmusik; – und wenn die arme Hexe des Morgens aus ihrer Berauschung erwacht, liegt sie nackt und müde in der Asche, neben dem verglimmenden Herde.
Die beste Auskunft über diese Hexen findet man in der »Dämonologie« des ehrenfesten und hochgelahrten Doktor Nicolai Remigii, des durchlauchtigsten Herzogs von Lothringen Kriminalrichter. Dieser scharfsinnige Mann hatte fürwahr die beste Gelegenheit, das Treiben der Hexen kennenzulernen, da er in ihren Prozessen instruierte und zu seiner Zeit allein in Lothringen achthundert Weiber den Scheiterhaufen bestiegen, nachdem sie der Hexerei überwiesen worden. Diese Beweisführung bestand meistens darin: Man band ihnen Hände und Füße zusammen und warf sie ins Wasser. Gingen sie unter und ersoffen, so waren sie unschuldig, blieben sie aber schwimmend über dem Wasser, so erkannte man sie für schuldig, und sie wurden verbrannt. Das war die Logik jener Zeit.
Als Grundzug im Charakter der deutschen Dämonen sehen wir, daß alles Idealische von ihnen abgestreift, daß in ihnen das Gemeine und Gräßliche gemischt ist. Je plump vertraulicher sie an uns herantreten, desto grauenhafter ihre Wirkung. Nichts ist unheimlicher als unsere Poltergeister, Kobolde und Wichtelmännchen. Prätorius in seinem »Anthropodemus« enthält in dieser Beziehung eine Stelle, die ich nach Dobeneck hier mitteile:
»Die Alten haben nicht anders von den Poltergeistern halten können, als daß es rechte Menschen sein müssen, in der Gestalt wie kleine Kinder, mit einem bunten Röcklein oder Kleidchen. Etliche setzen dazu, daß sie teils Messer in den Rücken haben sollen, teils noch anders und gar greulich gestaltet wären; nachdem sie so und so, mit diesem oder jenem Instrument vorzeiten umgebracht seien. Denn die Abergläubischen halten dafür, daß es derer vorweilen im Hause ermordeten Leute Seelen sein sollen. Und schwatzen sie von vielen Historien, daß, wenn die Kobolde denen Mägden und Köchinnen eine Weile im Hause gute Dienste getan und sich ihnen beliebt gemacht haben; daß manches Mensch daher gegen die Kobolde eine solche Affektion bekommen, daß sie solche Knechtchen auch zu sehen inbrünstig gewünscht und von ihnen begehrt haben: worin aber die Poltergeister niemals gerne willigen
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