Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
nicht?
Thusnelda (sie wirft sich auf einen Sessel nieder).
O Hertha!
Nun mag ich diese Sonne nicht mehr sehn.
(Sie verbirgt ihr Haupt.)
Hermann (leise, flüsternd).
Thuschen! Thuschen! Er ist ja noch nicht fort.
(Er folgt ihr und ergreift ihre Hand.)
Thusnelda.
Geh, laß mich sein.
Hermann (beugt sich ganz über sie).
Heut, wenn die Nacht sinkt, Thuschen,
Schlägt dir der Rache süße Stunde ja!
Thusnelda.
Geh, geh, ich bitte dich! Verhaßt ist alles,
Die Welt mir, du mir, ich: laß mich allein!
Hermann (er fällt vor ihr nieder).
Thuschen! Mein schönes Weib! Wie rührst du mich!
(Kriegsmusik draußen.)
Zehnter Auftritt
Eginhardt und Astolf treten auf. Die Vorigen.
Eginhardt.
Mein Fürst, die Hörner rufen dich! Brich auf!
Du darfst, willst du das Schlachtfeld noch erreichen,
Nicht, wahrlich! einen Augenblick mehr säumen.
Hermann (steht auf).
Gertrud!
Eginhardt.
Was fehlt der Königin?
Hermann. Nichts, nichts!
(Die Frauen der Thusnelda treten auf.)
Hier! Sorgt für eure Frau! Ihr seht, sie weint.
(Er nimmt Schild und Spieß.)
Astolf ist von dem Kriegsplan unterrichtet?
Eginhardt.
Er weiß von allem.
Hermann (zu Astolf). Sechshundert Krieger bleiben dir
In Teutoburg zurück, und ein Gezelt mit Waffen,
Cheruskas ganzes Volk damit zu rüsten.
Teuthold bewaffnest, und die Seinen, du,
Um Mitternacht, wenn alles schläft, zuerst.
Sobald der Morgen dämmert, brichst du los.
Crassus und alle Führer der Kohorten,
Suchst du in ihren Zelten auf;
Den Rest des Haufens fällst du, gleichviel, wo?
Auch den Ventidius empfehl ich dir.
Wenn hier in Teutoburg der Schlag gefallen,
Folgst du, mit deinem ganzen Troß,
Mir nach dem Teutoburger Walde nach;
Dort wirst du weiteren Befehl erhalten.
Hast du verstanden?
Astolf. Wohl, mein erlauchter Herr.
Eginhardt (besorgt).
Mein bester Fürst! Willst du nicht lieber ihn
Nach Norden, an den Lippstrom, schicken,
Cheruska vor dem Pästus zu beschirmen,
Der dort, du weißt, mit Holm, dem Herrn der Friesen, kämpft.
Cheruska ist ganz offen dort,
Und Pästus, wenn er hört, daß Rom von dir verraten,
Beim Styx! er sendet, zweifle nicht,
Gleich einen Haufen ab, in deinem Rücken,
Von Grund aus, alle Plätze zu verwüsten.
Hermann.
Nichts, nichts, mein alter Freund! Was fällt dir ein?
Kämpf ich auch für den Sand, auf den ich trete,
Kämpf ich für meine Brust?
Cheruska schirmen! Was! Wo Hermann steht, da siegt er,
Und mithin ist Cheruska da.
Du folgst mir, Astolf, ins Gefild der Schlacht;
Wenn Varus, an der Weser, sank,
Werd ich, am Lippstrom, auch den Pästus treffen!
Astolf.
Es ist genug, o Herr! Es wird geschehn.
Hermann (wendet sich zu Thusnelda).
Leb wohl, Thusnelda, mein geliebtes Weib!
Astolf hat deine Rache übernommen.
Thusnelda (steht auf).
An dem Ventidius?
(Sie drückt einen heißen Kuß auf seine Lippen.)
Überlaß ihn mir!
Ich habe mich gefaßt, ich will mich rächen!
Hermann.
Dir?
Thusnelda.
Mir! Du sollst mit mir zufrieden sein.
Hermann.
Nun denn, so ist der erste Sieg erfochten!
Auf jetzt, daß ich den Varus treffe:
Roms ganze Kriegsmacht, wahrlich, scheu ich nicht!
(Alle ab.)
Fünfter Akt
Szene: Teutoburger Wald. Nacht, Donner und Blitz.
Erster Auftritt
Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze des römischen Heeres, mit Fackeln, treten auf.
Varus.
Ruft Halt! ihr Feldherrn, den Kohorten zu!
Die Feldherrn (in der Ferne).
Halt! – Halt!
Varus. Licinius Valva!
Ein Hauptmann (vortretend). Hier! Wer ruft?
Varus.
Schaff mir die Boten her, die drei Cherusker,
Die an der Spitze gehn!
Der Hauptmann. Du hörst, mein Feldherr!
Du wirst die Männer schuldlos finden;
Arminius hat sie also unterrichtet.
Varus.
Schaff sie mir her, sag ich, ich will sie sprechen!
Ward, seit die Welt in Kreisen rollt,
Solch ein Verrat erlebt? Cherusker führen mich,
Die man, als Kundige des Landes, mir
Mit breitem Munde rühmt, am hellen Mittag irr!
Rück ich nicht, um zwei Meilen zu gewinnen,
Bereits durch sechzehn volle Stunden fort?
Wars ein Versehn, daß man nach Pfiffi- mich,
Statt Iphikon geführt: wohlan, ich will es mindstens,
Bevor ich weiter rücke, untersuchen.
Erster Feldherr (in den Bart).
Daß durch den Mantel doch, den sturmzerrißnen,
Der Nacht, der um die Köpf uns hängt,
Ein einzges Sternbild schimmernd niederblinkte!
Wenn auf je hundert
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