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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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Eure Versicherung schlage ich jetzt mein Leben in die Schanze, und fechte mit Jakob dem Grauen; niemand weiß besser als Ihr, ob meine Sache gut und gerecht ist. – Ritter, antwortete die Dame, Ihr könnt Euch auf die Gerechtigkeit Eurer Sache verlassen, und mit Zuversicht in den Kampf gehen. Hierauf ergriff Carouge ihre Hand, küßte sie, machte das Zeichen des Kreuzes, und begab sich in die Schranken. Die Dame blieb während des Gefechts im Gebet. Ihre Lage war kritisch; wurde Hans Carouge überwunden, so wurde er gehangen, und sie ohne Barmherzigkeit verbrannt. Als das Feld und die Sonne gehörig zwischen beiden Kämpfern verteilt war, sprengten sie an, und gingen mit der Lanze aufeinander los. Aber sie waren beide zu geschickt, als daß sie sich hätten was anhaben können. Sie stiegen also von ihren Pferden, und griffen zum Schwert. Carouge wurde am Schenkel verwundet; seine Freunde zitterten für ihn, und seine Frau war mehr tot als lebendig. Aber er drang auf seinen Gegner mit so vieler Wut und Geschicklichkeit ein, daß er ihn zu Boden warf, und ihm das Schwert in die Brust stieß. Hierauf wandte er sich gegen die Zuschauer, und fragte sie mit lauter Stimme: Ob er seine Schuldigkeit getan habe? Alle antworteten einstimmig, Ja! Sogleich bemächtigte sich der Scharfrichter des Leichnams des Jakobs, und hing ihn an den Galgen. Ritter Carouge warf sichdem König zu Füßen, der seine Tapferkeit lobte, ihm auf der Stelle 1000 Livres auszahlen ließ, einen lebenslänglichen Gehalt von 200 Livres aussetzte, und seinen Sohn zum Kammerherrn ernannte. Carouge eilte nunmehr zu seiner Frau, umarmte sie öffentlich, und begab sich mit ihr in die Kirche, um Gott zu danken, und auf dem Altar zu opfern. Froissard erzählt diese Geschichte, und sie ist Tatsache.

ÜBER DAS MARIONETTENTHEATE R

     
     
    Dieser Essay erschien in den „Berliner Abendblättern“ um 1810. In exemplarischer Weise illustriert der Autor ein Grundthema: die Frage, wie Bewusstsein und Anmut das menschliche Verhalten beeinflussen. Kleists Aufsatz wurde auch als versteckte Satire auf das Berliner Theater unter August Wilhelm Iffland gedeutet. Die Literaturwissenschaftlerin Hanna Hellmann veröffentlichte die Schrift Über das Marionettentheater, die sich als wegweisend für das Verständnis von Kleists Philosophie des Lebens und der Kunst erwies.
    Der Erzähler gibt sein Zwiegespräch mit einem wegen seiner Anmut bewunderten Tänzer wieder, den er mehrere Male beim Besuch eines Marionettentheaters gesehen hat. Der Angesprochene schildert ihm, wie sehr er die „natürliche Grazie“ der Bewegungen der Puppen bewundert und welche Lehre er für sich daraus zieht: dass es eine natürliche Anmut gebe, die sich in völliger Abwesenheit von Bewusstsein manifestiere. Der Erzähler gibt seinerseits ein Beispiel – ein ihm bekannter Knabe habe in einem Augenblick dem Dornauszieher geglichen, aber unter der Kontrolle seines Verstandes die Bewegung in ihrer Schönheit nicht mehr nachahmen können. Der Tänzer schildert daraufhin ein weiteres Beispiel eines Bären, der Fechtstöße (unbewusst) pariert und auf Finten (bewusst) nicht eingeht.
    Im Gespräch wird ausgehend von diesen drei Beispielen die These aufgestellt, dass entweder völlige Abwesenheit von Bewusstsein (wie der „Gliedermann“ des Marionettentheaters) oder aber, das Gegenteil, ein vollständiges Bewusstsein (wie ein Gott) das gewünschte „natürliche“ Verhalten erzeugt. Vollendete Anmut und Natürlichkeit besitzt demnach jemand, der sich entweder völlig unbefangen und unbewusst wie ein Kind

 

    August Wilhelm Iffland, um 1820

Über das Marionettentheater
     
    Als ich den Winter 1801 in M… zubrachte, traf ich daselbst eines Abends, in einem öffentlichen Garten, den Herrn C. an, der seit kurzem, in dieser Stadt, als erster Tänzer der Oper, angestellt war, und bei dem Publiko außerordentliches Glück machte.
    Ich sagte ihm, daß ich erstaunt gewesen wäre, ihn schon mehrere Male in einem Marionettentheater zu finden, das auf dem Markte zusammengezimmert worden war, und den Pöbel, durch kleine dramatische Burlesken, mit Gesang und Tanz durchwebt, belustigte.
    Er versicherte mir, daß ihm die Pantomimik dieser Puppen viel Vergnügen machte, und ließ nicht undeutlich merken, daß ein Tänzer, der sich ausbilden wolle, mancherlei von ihnen lernen könne.
    Da die Äußerung mir, durch die Art, wie er sie vorbrachte, mehr, als ein bloßer Einfall schien, so ließ ich mich bei ihm nieder,

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