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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ziehend – einander die Seufzer belauschend – von einander die weichen durchsichtigen Worte wegatmend – das ständen ich und Ihr gar nicht aus, Associé!« – Er sprang auf, patschte sein Hasenlager leise wieder platt und sagte: »Bette dich weich um das schwere Haupt, das auf dich sinkt; erdrücke seine Träume nicht; verrate seine Tränen nicht!« – Wäre sogar der Graf von O mit seiner feinen ironischen Miene dazugekommen: er hätte nichts darnach gefragt. Es ist ein Unglück für uns Deutsche, daß wir allein – indes dem Engländer sogar vom Weltmann seine Hasen-, Bock- und Luftsprünge für zierliche Rück-, Vor- und Hauptpas angerechnet werden – gar nicht ernsthaft und gesetzt genug einherschreiten können.
    Er lief abends wieder in den Hafen seines Zeidlers ein; und sein schwankendes Herz warf auf die stille blühende Natur um ihn die Anker aus. Der alte Mann hatte unterdes alle seine alten Papiere, Tauf-, Trauscheine und Manualakten vom Nürnberger Zeidlergericht etc., zusammengefahren und sagte: »Les’ Er!« – Er wollt’ es selber wieder hören. Er zeigte auch seinen »Dreifaltigkeitsring« aus Nürnberg, auf welchem stand:
    Hier dieser Ring der weist,
Wie drei in Einem heißt
Gott Vater, Sohn und Geist.
    Der Bienenvater machte weiter kein Geheimnis daraus, daß er vorher, als er diesen Ring sich noch nicht in Nürnberg an einem Gerichttage angeschafft hatte, die Dreifaltigkeit nicht glauben können: »jetzt aber müßt’ einer ein Vieh sein, wenn ers nicht begriffe.« – Am Morgen vor der Abreise war Viktor in der doppelten Verlegenheit: er wollte gern ein Geschenk haben – zweitens eines machen. Was er haben wollte, war eine plumpe Stundenuhr – bei einer Ausspielung für ein Los à 20 kr. gewonnen –; dieses Werk, dessen dicke Zeigerstange den Lebensfaden des Greises auf dem schmutzigen Zifferblatte in lauter bunten frohen Bienen-Stunden weggemessen hatte, sollte eine Lorenzo-Dose für ihn sein, ein Amulett, ein Ignatius-Blech gegen Saulische Stunden. »Ein Handwerker«, sagt’ er, »braucht wahrlich nur wenig Sonne, um zufrieden und warm durchs Leben zu gehen; aber wir mit unsrer Phantasie sind oft in der Sonnenseite so schlimm daran als in der Wetterseite – der Mensch steht fester auf Dreck als auf Äther und Morgenrot.« Er wollte dem glücklichen Lebens-Veteranen als Kaufschilling für die Stundenuhr und als Preismedaille für das Quartier seine Sekundenuhr aufdringen. Lind hatte das Herz nicht, wurd’ aber rot. Endlich stellte ihm Viktor vor, die Sekundenuhr sei eine gute Leuchtkugel zum Dreifaltigkeitsringe, ein Thesesbild dieses Glaubenartikels, denn die dreifaltigen Zeiger machten doch nur eine Stunde. – Lind tauschte.
    Viktor konnte weder der Spötter noch der Bunklische Reformator einer solchen irrenden Seele sein, und seine sympathetische Laune ist nichts als ein zweifelnder Seufzer über das menschliche Gehirn, das 70 Normaljahre hat, und über das Leben, das ein Glaubens-Interim ist, und über die theologischen Doktorringe, die solche Dreifaltigkeitsringe sind, und über die theologischen Hör- und Sprechsäle, worin solche Sekunden-Uhren zeigen und schlagen.
    – Endlich geht er aus Kussewitz um 6 Uhr morgens. Eine sehr schöne Tochter des Grafen von O kam erst um 7 Uhr zurück: das ist unser aller Glück, er säße sonst noch da.
    Der Hundposttag ist aus. Ich weiß nicht, soll ich ein Extrablatt machen oder nicht. Der Schalttag ist an der Türe; ich wills also bleiben lassen und nur ein Pseudo-Extrablatt hersetzen, welches sich bekanntlich von einem kanonischen ganz dadurch unterscheidet, daß ichs im apokryphischen durch keine Überschrift merken lasse, sondern nur unter der Hand von der Geschichte wegkomme zu lauter Fremdsachen.
    Ich nehme meinen historischen Faden wieder auf und befrage den Leser: was hält er von Sebastians Weiber-Liebhaberei? Und wie erklärt er sich sie? – Wahrhaft-philosophisch versetzt er: »Aus Klotilden: sie hat ihn durch ihr Magnetisieren mit der ganzen Weiber-Welt in Rapport gesetzt; sie hat an diesen Bienenschwarm geklopft, nun ist kein Ruhen mehr. – Ein Mann kann 26 Jahre kalt und seufzerlos in seinem Bücherstaube sitzen; hat er aber den Äther der Liebe einmal geatmet: so ist das eirunde Loch des Herzens auf immer zu, und er muß heraus in die Himmelluft und beständig nach ihr schnappen, wie ich in den künftigen Hundposttagen sicherlich sehe.« Einen närrischen philosophischen Stil hat sich der Leser angewöhnt; aber

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