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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Blinde den schleunigen Kuß hinreichen konnte, für den er schon so viele avant propos und Marschrouten verfertigt hatte. Jetzo war er satt und heil; hätt’ er noch zwei Abende dem Kuß nachstellen müssen, er hätte sich sehr verliebt.
    Er saß wieder in seinem Mastkorb, als die Fürstin aß. Es geschah bei offnen Türen. Sie schürte sein Lauffeuer der Liebe mit dem goldnen Löffel an, sooft sie ihn an ihre kleinen Lippen drückte – sie störte das Feuer wieder auseinander mit den zwei Zahnstochern (süßen und sauern), sooft sie zu ihnen griff. Tostato et Compagnie setzten heute die teuersten Waren ab: kein Mensch kannte die et Compagnie; bloß Zeusel sah dem Viktor schärfer ins Gesicht und dachte: »Ich sollte dich gesehen haben.« Gegen 2T Uhr nachmittags ereignete sich das Glück, daß die Prinzessin selber an die Bude trat, um italienische Blumen für ein kleines Mädchen, das ihr wohlgefallen, auszusuchen. Bekanntlich nimmt man sich in jeder Maske Maskenfreiheit und auf jeder Reise Meßfreiheit: Viktor, der in Verkleidungen und auf Reisen fast allzu kühn war, versuchte es, in der Muttersprache der Prinzessin und zwar mit Witz zu sprechen. »Der Teufel«, dacht’ er, »kann mich doch deswegen nicht holen.« Er merkte daher mit dem zartesten Wohlwollen gegen dieses schöne Kind in Molochs Armen nur so viel über die seidnen Blumen an: »Die Blumen der Freude werden auch leider meistens aus Samt, Eisendraht und mit dem Formeisen gemacht.« Es war nur ein Wunder, daß er höflich genug war, um den Umstand wegzulassen, daß gerade der italienische Adel die italienische Flora verfertige. Sie sah aber auf seine Ware und schwieg; und kaufte statt der Blumen eine montre à regulateur , die sie nachzubringen ersuchte.
    Er überbrachte ihr die Uhr eigenhändig; aber leider ebenso eigenhändig – der Leser erschrickt; aber anfangs erschrak er selber und dachte doch den Einfall so oft, bis er ihn genehmigte – hatt’ er vorher über den Imperator der Uhr ein zartes Streifchen Papier gepicht, worauf er eigenhändig mit Perlenschrift geschrieben: Rome cacha le nom de son dieu et elle eut tort; moi je cache celui de ma déesse et j’ai raison .
    »Ich kenne die Leute schon,« dacht’ er, »sie machen und ziehen in ihrem Leben keine Uhr auf!« Ei, Sebastian, was wird mein Leser denken oder deine Leserin?
    Sie reisete noch abends in ihr erheiratetes Land, das künftige Hackbrett ihres Zepters. Unserem Viktor war beinahe, als hätt’ er ihr ein andres Herz als das metallene mit dem Zettel mitgegeben, und er freuete sich auf den Flachsenfinger Hof. Vor ihr lief ihr nachgedruckter Bräutigam oder seine Sänfte, aus der er ausstieg an die Wand des Schlafzimmers. Da er ihr Gott war, so kann ich ihn oder sein Bild mit den Bildern der alten Götter vergleichen, die auf einem eignen vis-à-vis – thensa genannt – herumgefahren, oder in einer Porträtbüchse – ½±¿Â genannt – oder in einem Bauer – º±´¹Ãº¿½ genannt – herumgetragen wurden.
    Darauf ging Viktor mit seinem Handelskonsul hinter den Kulissen des Benefiztheaters herum. Er schnürte die seidne Demarkationlinie und Sperrkette ab – zog sie in die Höhe wie ein ekles Haar – befühlte sie – hielt sie erst weit vom Auge – dann nahe an dieses – zerrte sie auseinander, eh’ er sagte: »Die Kraft stecke, wo sie will – es mag nun eine seidne Schnur politische Körper so gut wie elektrische isolieren – oder es mag mit Fürsten wie mit Hühnern sein, die keinen Schritt weiter setzen, wenn man Kreide nimmt und damit von ihrem Schnabel herab eine gerade Linie auf den Boden hinführt – soviel seht Ihr doch, Associé: wenn ein Alexander die Grenzsteine der Länder verrücken wollte, so wäre ein solcher Strang dagegen das beste ins Enge gezogne Naturrecht und eine dergleichen Barriereallianz.« Er ging in ihr Schlafzimmer zum ausgeleerten heiligen Grabe, d. h. zum Bette der auferstandnen Braut, in welches der an der Wand vor Anker liegende Sponsus von seinem Nagel sehen konnte. Ganze Divisionen von Einfällen marschierten stumm durch seinen Kopf, den er damit an ein seidnes Kopfkissen – so groß wie ein Hunde- oder ein Seitenkissen eines Wagens – mit der Wange andrückte. So anliegend und kniend sprach ers halb in die Federn (nicht in die Feder) hinein: »Ich wollt’, auf dem andern Kissen läg’ auch ein Gesicht und säh’ in meines – du lieber Himmel! zwei Menschengesichter einander gegenüber – sich einander in die Augen

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