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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Neffen ein, ihn bei Besorgung der Gesamtausgabe zu unterstützen. Spazier, der keine Ahnung davon hatte, daß bereits jeder Tag kostbar war, ließ noch zwei Wochen hingehen, ehe er in Baireuth eintraf. »Mit welchem tiefen Schreck fuhr ich da zurück! – Die Fenster waren mit grünen Vorhängen verhangen, nirgends schien mehr die sonst so strenge ordnende Hand zu walten. Ein großer Lichtschirm auf dem Tisch verbarg mir seine Gestalt; und als ich herumtrat, sah ich den vor kurzem noch so kräftigen Mann in einem Pelzüberrock auf seinem Sopha liegen, das Gesicht seltsam verändert, tief eingefallen, gelblich, den sonst so starken Körper in den andern Teilen zusammengeschwunden, mit erlöschenden Augen, die Füße mit Kissen bedeckt. Unbeschreiblich gerührt und dankbar war sein Empfang.« Es hatte sich bereits eine Bauchwassersucht gebildet und die Füße begannen schon anzuschwellen.
    Jean Paul hatte keine Ahnung von seinem Zustand. Unverzüglich machte er sich mit Spazier an die Anordnung der Werke. Ungeschwächt waltete der rege Geist. Das Ganze wurde in den vormittäglichen Arbeitsstunden angeordnet, die Geschichte der Vorrede zum »Quintus Fixlein« und beinahe die Hälfte der »Teufelspapiere« wurden ununterbrochen durchgearbeitet. Mit Aufmerksamkeit folgte er der Vorlesung von Herbarts »Psychologie«, Herders »Ideen« und von Musäus »Physiognomischen Reisen«. Täglich besuchten ihn die Freunde: der wieder ausgesöhnte Emanuel, Otto, der katholische Geistliche Östreicher, der sich aus Liebe zu Jean Paul vor einigen Jahren von Bamberg nach Baireuth hatte versetzen lassen. Auch ein in Baireuth lebender Sohn des geliebten Herder gehörte zu den täglichen Besuchern.
    Am Morgen des 14. November 1825 trat Spazier nach alter Gewohnheit ein, um die Arbeit mit Jean Paul fortzusetzen. Er fand das Studierzimmer leer. Der Dichter lag im Familienzimmer unten auf dem Sofa, um ihn die Familie und einige Freunde sowie der Medizinalrat von Stranzky. Lange wurde über den »Hesperus« gesprochen, mit dem Jean Paul unzufrieden war. Er sprach von einschneidenden Veränderungen in dem Roman, die notwendig wären. Die Kindervertauschung sollte überhaupt fortfallen. Gegen 2½ Uhr glaubte er – wie er überhaupt seit seiner Augenschwäche die Tageszeiten verwechselte –, es wäre Abend, und verlangte in sein Bett gebracht zu werden. Hier versuchte er sich mit Spazier zu unterhalten. Der aber konnte seine Worte nicht mehr verstehen. »Wir wollen’s gehen lassen«, sagte der Sterbende und fiel in tiefen Schlaf. Gegen 8 Uhr abends schlummerte er mit einem letzten tiefen Atemzug, ohne aufzuwachen, in die Ewigkeit hinüber. Die Anwesenden sanken am Lager weinend auf die Knie.
    Am Nachmittag des 17. November wurde Jean Paul in feierlichem Zuge beigesetzt. Das Grab seines Sohnes sollte ihn aufnehmen. Es liegt auf dem Kirchhof neben dem Wege zur Fantaisie. Karoline hatte mit eigener Hand das Totengewand genäht. Unter dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadt bewegte sich um 5 Uhr der Trauerzug von der Wohnung in der Friedrichstraße nach dem Kirchhof. Gymnasialschüler trugen Fackeln in den Händen. Auf Kissen wurden die »Levana«, die »Vorschule der Ästhetik« und die »Unsichtbare Loge« dem Sarge vorangetragen. Sämtliche Behörden und alle Schulen nahmen teil. Neben dem Leichenwagen gingen zehn Professoren der Studienanstalt und hielten die Quasten des Bahrtuches. Nach der Trauermusik am Grabe wurde statt einer Leichenrede die Stelle über Christus aus dem Aufsatz »Über den Gott in der Geschichte und im Leben« in den »Dämmerungen« vorgelesen. Studienrektor Professor Gabler hielt eine Rede, in der er, wenn auch in akademisch nüchterner Form, die Bedeutung des großen Toten darzustellen suchte. Spazier sprach im Namen der deutschen Jugend ergreifende und feurige Worte über den Dahingeschiedenen. Als Geistlicher fungierte jener Reinhart, der einst dem jungen Höfer Gymnasiasten einen bösen Streich gespielt hatte. Neben ihm stand einträchtig der katholische Geistliche und Freund Jean Pauls, der Pfarrer Östreicher.
    Zwei Wochen später, am 2. Dezember, hielt Börne im Frankfurter Museum seine große Gedächtnisrede. Hier war noch einmal, bevor das deutsche Volk einen seiner Größten vergaß, liebevolles Erfassen und prophetisches Verkünden: »Ein Stern ist untergegangen, und das Auge des Jahrhunderts wird sich schließen, bevor er wieder erscheint; denn in weiten Bahnen zieht der leuchtende Genius, und erst

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