Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
trug einen Strohhut von Guayaquil, ein Hemd von feinem, weißem Battist, ohne Wamms, und eine an den Lenden dicht anliegende Sammethose mit ächt und massiv goldenen Knöpfen. Der auf dem Maulthiere reitende Mann war der Kaplan der Hazienda, ein ehrwürdiger Franziskanermönch mit blauer Kutte. Als Gürtel trug er eine seidene Schnur; sein Kleid aber war über seinen mit langen, hellklingenden Sporen bewaffneten Reitstiefeln hoch aufgeschürzt. Ein großer, grauer Filz, der ihm ziemlich keck auf der Seite saß, gab ihm ein mehr soldatisches als mönchisches Aussehen. Sie hatten sich unweit der Hazienda getroffen und kehrten nun im Verein zu derselben zurück.
»Aber sagt, ehrwürdiger Vater, warum Ihr so lange seid? Ich erwarte Euch schon seit drei Tagen von der Reise zurück und da Ihr nicht kamet, glaubte ich beinahe, der heilige Julian, welcher nach Eurer eigenen Versicherung der Schutzpatron aller Reisenden ist, habe Euch verlassen und es sei Euch daher irgend ein Unglück zugestoßen.«
»Der Mensch steht allüberall in Gottes Hand, Sennor Augustin, und ich kehre so spät zurück, weil ich während meiner Reise jede Gelegenheit ergriffen habe, diesem Herrn zu dienen in Worten und Werken. Ich habe Hungernde gespeist, Durstige getränkt, Betrübte getröstet, Kranke besucht, Sterbenden das heilige Sakrament ertheilt – –«
»Sterbenden? Ist Jemand in der Nähe gestorben?«
»In der Nähe nicht. Zwei Tagereisen von hier wurde ich zu der Mutter des Rastreador Tiburcio Arellanos gerufen. Sie sah dem Tode wie die Frau eines ächten, wackern Gambusino entgegen: mit frommem Herzen und muthiger Seele.«
»Des Tiburcio? Ja, ich weiß, daß sie todt ist; er hat es mir erzählt.«
»Wo und wenn?«
»Das berichte ich Euch später; es gehört eine volle Musestunde dazu. Habt Ihr sie sterben sehen?«
»Nein; meine Zeit war mir so knapp zugemessen, daß ich bald wieder fort mußte. Aber ihre Beichte habe ich gehört und ihr das letzte Sakrament gegeben.«
»Man weiß nicht genau ob ihr Mann Marcos Arellanos, todt oder nur verschollen sei?«
»Er ist todt.«
»Wißt Ihr das genau?«
»Genau.«
»Wo ist er gestorben?«
»Am Rio Gilo, aber nicht gestorben, sondern ermordet worden von der ruchlosen Hand eines Mannes, dem er sein ganzes Vertrauen geschenkt hatte.«
»Ah! Ist der Mörder entdeckt? Hat er die That gestanden?«
»Nein.«
»Aber wie kann man denn so genau wissen, daß und wo er eines so gewaltsamen Todes gestorben ist?«
»Weder Ihr noch ich haben einen Begriff von dem erstaunenswerthen Scharfsinne, mit welchem diese Jäger und Goldsucher aus den unbedeutendsten Anzeichen, welche ein anderes Auge gar nicht finden und bemerken würde, sich eine ganze, verwickelte Geschichte mit zu bewundernder Sicherheit zusammensetzen.«
»Ich liebe diesen Tiburcio Arellanos, bin ihm zu großem Danke verpflichtet, wie Ihr bald erfahren werdet, und möchte wohl die Geschichte vernehmen.«
»Ich darf sie Euch erzählen; sie gehört nicht mit zur Beichte, obgleich sie mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut wurde. Marcos Arellanos hatte jenseits des Präsidio Tubac ein außerordentlich reiches Goldlager entdeckt, mußte aber vor den Apachen weichen und kehrte zu seiner Frau zurück, um sich zu einem zweiten Besuche dieser Bonanza vorzubereiten. Ihr vertraute er Alles an und ließ ihr sogar eine Zeichnung zurück, auf welcher der Weg und die Lage des Goldthales ganz genau angegeben ist.«
»Warum that er das? Frauen vertraut man so wichtige Dinge nicht an.«
»Die Frau des Marcos war ein Weib, bei welchem dieses Geheimniß gut aufgehoben war; er theilte es ihr mit, damit es nicht verloren gehe, wenn ihm etwas Menschliches passiren sollte.«
»Habt Ihr die Zeichnung gesehen?«
»Nein.«
»Wer hat sie?«
»Tiburcio. Wäre er anwesend gewesen, so hätte Marcos ihm und sicher nicht der Frau die Sache mitgetheilt. Also Marcos ging wieder fort und kam nach Tubac. Hier sah man ihn täglich mit einem andern Gambusino verkehren, mit welchem er auch die Stadt verließ. Es ist sicher, daß dieser Mann ihn nach der Bonanza begleitet hat.«
»Und sein Mörder ist.«
»Jedenfalls. Sie müssen abermals von den Indianern vertrieben worden sein, denn ein Vaquero traf sie zwei Tagereisen jenseits des Gilo. Er folgte dann später ihren Spuren, welche nach dem Flusse führten, kam an zwei Stellen, wo sie des Nachts gelagert hatten, und erreichte auch den Ort, von welchem aus die Spur nur eines Mannes weiter
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