Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
führte. Die fehlende war die des Arellanos. Der niedergetretene, blutige Boden bewies, daß ein Kampf stattgefunden hatte und ein Mord geschehen war.«
»Der Mörder wollte jedenfalls das Geheimniß nur für sich allein haben.«
»So ist es. Der Vaquero kam glücklich zurück. Er hatte die Spur des Mörders wieder verloren, es aber dennoch für seine Pflicht gehalten, der Frau des Todten Nachricht zu bringen.«
»Das ist der Fluch des Goldes. Meine lachenden Fluren dünken mir tausendmal werthvoller, als all die goldenen Barren, welche in meinen Truhen liegen.«
»Und dennoch billigt Ihr die Expedition, welche Don Estevan de Arechiza vorzunehmen gedenkt?«
»Ich billige sie, weil ich muß. Don Estevan verfolgt bei diesem Unternehmen einen Zweck, der mir erhaben scheint und mit der gewöhnlichen Sucht nach dem blinkenden Metalle nichts gemein hat. Und überdies wißt Ihr ja, was Niemand weiß: die Hazienda del Venado ist nicht mein Eigenthum, sondern das seinige, und ich bin nur lebenslänglicher Pächter auf derselben.«
Die beiden Männer hatten jetzt die Verpfählung erreicht, ritten in den Hof und stiegen am Fuße einer Freitreppe ab, die zu einer großen Vorhalle und von da in den Salon der Hazienda führte.
Dieser Salon war ein großes Gemach, in welchem, dem Gebrauche der heißen Länder zufolge, ein unaufhörlicher Luftdurchzug eine beständige Kühle hervorbrachte. Feine und schön gearbeitete chinesische Matten bedeckten den aus großen Werksteinen bedeckten Fußboden, und andere, reichere Matten dienten an den Fenstern als Jalousien. An den geweißten Wänden hingen einige werthvolle Kupferstiche, und das Ameublement bestand aus ledernen Schaukelstühlen, Putacas genannt, silbernen Braseros, wie die Kohlenbecken heißen, an deren glühendem Inhalte der Raucher seine Cigarritta anbrennt, einem Sopha von Rotang und Polsterstühlen aus dem gleichen Stoffe.
Auf einem Tische von polirtem Balsamoholze ließen poröse Krüge das in ihnen enthaltene Wasser ausdünsten. Große Schnitten von Wassermelonen, in der Sprache des Landes Pasteques, zeigten auf einer silbernen Platte ihr leibfarbenes Fleisch, welches ein wohlschmeckender Saft mit rosigen Tropfen beperlte. Neben halbgeöffneten Granaten entfalteten Pitallas (Früchte von einer Varietät des Kerzenkaktus) den dunklen Purpur ihrer Körner, und Orangen, Grenadillen, süße Limonen, mit einem Worte, alle Arten südlicher Früchte, welche zum Durste reizen und ihn stillen, zeugten von den gastfreundlichen Absichten Don Augustins.
Dieser nahm mit dem Franziskaner Platz, um die Delikatessen zu kosten. Sie hatten damit kaum begonnen, so trat ein Diener ein und meldete:
»Sennor, es sind zwei Reisende draußen, welche um gastfreundliche Aufnahme bitten. Der Eine von ihnen gibt vor, Sie zu kennen.«
»Sie sind mir willkommen,« lautete der freundliche Bescheid.
Bald darauf traten die Männer ein. Der Jüngere von ihnen hatte ein offenes, vertrauenerweckendes Gesicht, und seine Stirn deutete auf Intelligenz und Kühnheit hin. Er schien flink und war schlank gebaut. Seine Kleidung zeigte trotz ihrer Einfachheit eine gewisse Eleganz, die für ihn einnehmen mußte.
»Ah, Ihr seid es, Pedro Diaz!« rief Don Augustin. »Gibt es in unserer Nähe einige Indianer zu vertilgen, daß Ihr Euch hier in der Einöde einfindet?«
Pedro Diaz war allerdings berühmt wegen seines unauslöschlichen Indianerhasses, wegen der Kühnheit, mit welcher er die Wilden bekämpfte, und wegen der Geschicklichkeit, mit der er sich aus den größten Verlegenheiten zu ziehen gewußt hatte.
»Erlaubt mir, ehe ich Euch antworte,« sprach er lächelnd, »Euch den König der Gambusinos und den Fürsten der Musiker, Sennor Diego Oroche vorzustellen! Er riecht das Gold, wie ein Hund das Wild wittert, und spielt die Mandoline, wie kein Anderer sie zu traktiren versteht.«
Oroche grüßte mit ungeheurem Ernste. Indessen mußte er wohl schon seit sehr langer Zeit keine Gelegenheit gefunden haben, den feinen Geruch, von welchem Diaz gesprochen hatte, zu bethätigen, denn sein Aeußeres deutete auf keinen großen Reichthum hin. Um die Hand nach seinem uralten Filzhute hin zu bewegen, brauchte er die kunstreich gelegten Falten seines Mantels nicht in Unordnung zu bringen; er hatte nur nöthig, unter den vielen Löchern desselben eines zu wählen, um seine Hand bequem hindurchzustecken. Seine großen, harten Hände waren mit langen Nägeln bewaffnet, allerdings ein Beweis, daß er die Kunst
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