Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Kugel.«
»Würdet Ihr diesen Miquelete wieder kennen?«
»Nein. Ich habe ihn ja nur in der Dunkelheit und während eines kurzen Augenblickes gesehen.«
»Er sitzt dort am Feuer.«
»Dort – am Feuer?« frug Cuchillo, der frühere Juan, indem er vor Erstaunen die Augen weit aufriß.
»Ja.«
»Welcher ist es?«
»Pepe Dormillon, der ›zündende Blitz.‹ In Elanchovi hieß er Pepe der Schläfer; Dormillon ist die französische Bezeichnung ganz desselben Wortes, und auch sein Aeußeres kann nicht trügen. Es ist genau der riesige Karabinier, welcher nach Ceuta verurtheilt wurde, dem es aber auf eine ganz unbegreifliche Weise gelungen ist, zu entkommen.«
»Und Sie irren sich nicht?«
»Ganz unmöglich.«
»Welch ein außerordentliches Zusammentreffen! Was ist zu thun?«
»Wir müssen uns seiner unbedingt entledigen.«
»Das wird schwer gehen. Die beiden Riesen sind fürchterliche Menschen. Wer in dunkler Nacht dem Tiger nachläuft, um ihn durch das rechte Auge zu treffen, dem ist nicht leicht beizukommen.«
»List ist oft mehr werth, als die größeste Körperstärke. Ich werde mir die Sache reiflich überlegen, muß aber nun zurück, weil unsere doppelte Abwesenheit leicht auffallen kann.«
Er trat zum Lagerplatze zurück und nahm an einer Stelle Platz, wo das Licht des Feuers sein Gesicht nicht erreichen konnte.
Die beiden fremden Jäger lagen seitwärts eng neben einander. Sie waren abgehärteter als die Mexikaner, konnten die Wärme recht gut entbehren und hatten sich daher diesen Ort ausgesucht. Als die Andern schliefen, waren sie noch immer wach.
»Warum willst Du, daß wir so bald aufbrechen, Pepe?«
»Santa Lauretta, das ist eine ganz außerordentliche Geschichte! Weißt Du, wer dieser Don Estevan de Arechiza ist?«
»Ja.«
»Nun, wer?«
»Don Estevan de Arechiza.«
»Ja, allerdings; das weiß Jeder, der an diesen Namen glaubt; ich aber glaube nicht an ihn und weiß noch Etwas mehr.«
»Was?«
»Daß es jener Don Antonio de Mediana ist, der Deinen kleinen Fabian raubte, seine Mutter ermordete und mich dafür auf den Thunfischfang schicken wollte.«
Hätte Pepe ihm nicht mit der Hand ein Zeichen gegeben, sich zu beherrschen, so wäre Bois-Rosé vor Erstaunen aufgesprungen. Er schwieg eine ganze Weile; das Gehörte war wirklich so außerordentlich, daß er es erst gehörig verarbeiten mußte, ehe er es unternahm, eine Aeußerung zu thun.
»Kannst Du das beschwören, Pepe?« frug er endlich.
»Mit tausend Eiden.«
»Aber es gibt Aehnlichkeiten.«
»Die aber nicht so groß sind, wie diese sein müßte. Pepe der Schläfer hat ein ausgezeichnetes Auge, und ein Gesicht, welches er unter solchen Umständen gesehen hat, vergißt er nimmermehr.«
»Gut, ich glaube Dir. Doch sag, was der Graf de Mediana hier in Sonora will?«
»Ich weiß es nicht; wir werden es aber erfahren.«
»Natürlich, wenn Du es gern erfahren willst!«
»Bois-Rosé!«
»Was?«
»Darf ich Dich Etwas fragen?«
»Gern.«
»Wir sind so viele Jahre bei einander gewesen.«
»Und haben uns nie verlassen.«
»Richtig! Nie, in keiner Gefahr, in keiner Noth und Sorge, in keiner Angelegenheit. Aber jetzt habe ich eine Angelegenheit – – –«
»In welcher ich Dich auch nicht verlassen werde.«
»Ists wahr?«
»Ich sage es, und da ist es wahr! Oder habe ich Dir jemals die geringste Lüge gesagt?«
»Niemals. Aber die jetzige Angelegenheit ist schwierig. Ich muß wissen, was der Graf hier will.«
»Ganz recht.«
»Ich muß ihn bestrafen für den Mord, den Kindesraub und die falsche Anklage gegen mich.«
»Ganz recht.«
»Und, weißt Du, hier dieser Ring an meinem Finger ist eigentlich Schuld, daß dieses Verbrechen geschehen konnte. Ich habe ihn aufgehoben zum Zeichen, daß ich eine schwere Sünde wieder gutzumachen habe. Willst Du mir helfen?«
»Versteht sich, mein alter, treuer Pepe!«
»Auch wenn ich die Goldexpedition Jahre lang unter Kampf und Noth verfolgen muß?«
»Auch dann, und nicht nur Deinetwegen, sondern auch um meines kleinen Fabian willen, den ich aus dem Kahne gefischt, auf mein Schiff genommen und dann nach drei Jahren wieder verloren habe. Pepe, ich habe in der Welt kein Menschenkind so lieb gehabt, wie den Jungen, und hier diese meine rechte Hand ließe ich mir abhauen, wenn ich ihn wiederfinden könnte. Der Graf hat ihm seine Mutter gemordet und ihn auf dem Meere dem Verderben preisgegeben; ich werde ein weniges zusammenrechnen mit diesem Don Estevan de Arechiza!«
Das Gespräch
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