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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reisbündeln, welche in gewissen Entfernungen aufgestapelt   lagen, zu gleicher Zeit angezündet werden und eine Helle verbreiten, welche wohl geeignet war, das Tageslicht zu ersetzen.
    Gruppen von Abenteurern, die entweder auf dem Boden lagen oder mit der Bereitung des Abendessens beschäftigt waren, befanden sich zwischen den Pferden und Saumthieren, die aus Trögen von Leinwand ihre Ration Mais fraßen. Die Sorglosigkeit, welche bei diesen Gruppen herrschte, bewies, daß die Männer sich in Betreff ihrer Vertheidigung ganz auf die Wachsamkeit des von ihnen gewählten Oberhauptes verließen.
    Am Fuße des Zeltes saß ein Mann, in welchem wir Oroche erkennen. Seine langen Haare, seine Mandoline, welche neben der Büchse liegt, und die Mantelüberreste, in die er sich so majestätisch gehüllt hat, lassen gar keinen Zweifel aufkommen.
    Jenseits der Verschanzung versilberten die Strahlen des Mondes die Ebene, über welche die Caktus- und Nopalpflanzen gewaltige Schatten warfen. Das Nachtgestirn irisirte den Nebel, welcher, westlich vom Lager, am Horizonte die Spitzen einer Bergkette bedeckte, und beleuchtete auch die Wachen, die, mit dem Karabiner im Arme, spähenden Auges auf- und abgingen.
    Unter den zunächst bei den Wagen liegenden Männern befanden sich Benito, der alte Diener Arechiza’s, Baraja und Petro Diaz.
    »Sennor Benito,« frug Baraja. »Ihr seid so geschickt im Erklären aller Geräusche der Wüste und der Wälder. Könnt Ihr uns wohl sagen, was die Flintenschüsse bedeuten, die wir den ganzen Nachmittag gehört haben?«
    »Ich kenne die Sitten dieser Indianer nur wenig; indessen – –«
    »Indessen – –? Sagt doch, was Ihr sagen wollt, und erschreckt uns nicht so, wie in jener fürchterlichen Tigernacht!«
    »Indessen bin ich in meiner Jugend ihr Gefangener gewesen, und habe die Ansicht, daß ich mir ihr Flintenfeuer nicht erklären kann, wenn sie nicht etwa – –«
    »Nun? Nicht etwa – –?«
    »Nicht etwa einen Gefangenen, der in ihre Hände gefallen ist, zu Tode martern.«
    »Ihr wollt sagen, daß diese Wilden ihre Gefangenen schlecht behandeln?«
    »Das nicht, aber zu Tode zu martern verstehen sie dieselben ganz gehörig.«
    »Und was sind das für Martern?«
    »Vielerlei, und oft so schlimme, daß die Abziehung der Kopfhaut, das Instückereißen des Körpers und eine langsame Verbrennung eigentlich nur ein Spaß genannt werden muß.«
    »Teufel! Hoffentlich martern einen die Wilden nur dann, wenn sie Ursache haben, erbittert zu sein!«
    »Denkt Ihr? Sie thun es im Gegentheile gerade dann am liebsten, wenn sie bei guter Laune sind. Und das sind sie stets, wenn sie Gefangene haben. Sollte das Unglück es wollen, daß Ihr einmal in ihre Hände kommt, Sennor Baraja, so bittet zu Gott, daß die Apachen dann gerade bei schlechter Laune sind, denn dann kommt Ihr mit einer zwar abscheulichen aber doch ganz kurzen Marterweg.«
    »Wie lange dauert diese kurze Marter?«
    »Rathet einmal!«
    »Nun, vielleicht fünf bis sechs Minuten! Oder ist das vielleicht schon um ein weniges zu lang, wie ich beinahe denken möchte?«
    »Sagt lieber fünf bis sechs Stunden! Ich sage Euch sogar, daß sie zuweilen ein Bischen länger dauert, aber –«
    »Länger dauert, aber – – –?«
    »Aber nie darunter! Im Uebrigen werdet Ihr wohl ganz gut beurtheilen können, ob eine sechsstündige Marter einer vierundzwanzigstündigen bisweilen nicht vorzuziehen ist. Denn unter allen Todesarten ist diejenige am grausamsten, welche darin besteht, daß man den Menschen vor Furcht sterben läßt.«
    »Geht zum Teufel mit Euren Geschichten!« rief Baraja. »Ich weiß nicht, warum ich ein solcher Thor bin, Euch nach diesen Dingen zu fragen!«
    »Was ich sage, ist zwar entsetzlich, aber lehrreich. Und da Ihr jeden Augenblick den Wilden in die Hände fallen könnt, so ist es doch gut, wenn Ihr wißt, was Euch in diesem Falle erwartet. Es ist das ein sehr guter Trost, in Ermangelung eines bessern.«
    »Wenn Ihr keinen bessern Trost wißt, so ist das Handwerk eines Goldsuchers das abscheulichste, welches es gibt! Also Ihr waret in indianischer Gefangenschaft?«
    »In meiner Jugend, wie ich Euch bereits sagte.«
    »Und sie haben Euch auch gemartert?«
    »Gemartert gerade nicht. Es kommt darauf an, wie man es nimmt!«
    »Nun, was thaten sie? In welcher Laune befanden sie sich?«
    »In einer sehr schlechten. Wir hatten viele Leute getödtet; ich war ganz allein in ihre Hände gerathen, und mußte darum ihre Rache auch ganz auf mich

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