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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wachenden Indianer vermochten doch noch nicht, die Insel zu erkennen.
    Bald wurde das erste Dämmerlicht etwas bestimmter.   Die Nebelmassen wälzten sich über einander her, wie die Staubwolke, welche von den Füßen einer Büffelheerde aufgewühlt wird. Die Sonne erhob sich, und die Dunstschleier oscillirten wie eine ungeheure Draperie, von welcher jeder Hauch des Morgenwindes ein Stück mit fortriß.
    Da stieß der Schwarzvogel einen Schrei der Wuth und Enttäuschung aus, der gar nicht aus einer menschlichen Kehle zu kommen schien.
    Das Inselchen war gänzlich verschwunden; der Ort, welchen es noch am vergangenen Abende eingenommen hatte, war so glatt wie ein Spiegel. Auch nicht eines der Schilfrohre, welche das Floß begrenzt, auch nicht eine der grünenden Wurzeln, die es umgeben hatten, zeigte sich über dem Wasser.
    Die Gefühle, welche in diesem Augenblicke das Herz des Häuptlings durchflutheten, waren so gewaltig, daß er sich trotz seiner Verwundung allein und ohne alle Hülfe aufrichtete. Sein Auge war übernatürlich weit aufgerissen und sein Gesicht bleich unter den Linien seiner Tättowirung und den aufgetragenen Ockermassen.
    Er wankte auf die zunächststehende Schildwache zu und erhob die Streitaxt. Aber der bedrohte Krieger rührte sich nicht. Er blieb mit vorgestrecktem Kopfe und ganz in der Haltung eines angestrengt horchenden Menschen ruhig stehen, als wolle er damit anzeigen, daß er bis zu diesem unglücklichen Augenblicke nicht aufgehört habe, treu zu wachen. Der Indianer fürchtet den Tod nicht; er empfängt ihn aus der Hand seines Häuptlings, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Bereits stand die Streitaxt im Begriffe, den Kopf des Indianers zu treffen, als Antilope den Arm Schwarzvogels erfaßte.
    »Der große Anführer der Apachen wolle nicht hören auf die Stimme seines Zornes. Kein Krieger hat die Augen und die Ohren Manitou’s, der alles sieht und hört. Der böse Geist, dessen Kinder die Weißen sind, hat die Insel hinweggenommen, aber die Apachen sind nicht schuld daran!«
    Ein lange anhaltendes Geheul, welches sich auf beiden Ufern erhob, zeigte an, daß sämmtliche Indianer das Verschwinden der Insel nun gleichfalls bemerkten.
    Der Schwarzvogel vermochte, durch die gehabten Anstrengungen erschöpft, vor Grimm und Wuth nicht zu antworten. Seine Wunde öffnete sich wieder, und unter dem durch Riemen festgehaltenen Verband strömte das Blut hervor. Er bebte; seine Kniekehlen bogen sich, und der Läufer mußte ihn auf das Gras niedersetzen, wo er das Bewußtsein verlor.
    Als er wieder zu sich kam, war der Verband bereits wieder erneuert, und die eine Hälfte seiner Krieger hatte sich um ihn versammelt, während die andere am jenseitigen Ufer stand, um seine Befehle zu erwarten.
    »Wo sind die Bleichgesichter hin?« frug er.
    »Manitou hat meine Gedanken erleuchtet,« antwortete Antilope. »Die Insel stand nicht fest auf dem Boden des Wassers; die Weißen haben sie gelöst und sind mit ihr den Strom hinabgeschwommen.«
    Schwarzvogel neigte zustimmend das Haupt. Es mußte so sein, wie der Läufer sagte; es gab keine andere Möglichkeit.
    »Sie haben weder Ruder noch Steuer; die Insel ist mit ihnen an das Ufer gestoßen. Man suche auf beiden Seiten nach ihren Spuren!«
    Während diesem Gebote Folge geleistet wurde, blieb der Verwundete unter dem Schutze einiger Wächter zurück, welche die Todten aufsuchten, um ihnen ein indianisches Begräbniß zu geben.
    Während dieser Zeit kam ein zweiter Bote von den durch die Goldsucher geschlagenen Apachen, welche dringend sagen ließen, daß der Häuptling zu ihnen kommen solle. Er gab keine Antwort, sondern erwartete schweigend die Rückkehr der ausgesandten Männer.
    Sie kamen erst, als die Sonne bereits im Zenithe stand. Sie hatten trotz der Behutsamkeit der drei Männer den Ort gefunden, an welchem dieselben an das Land gegangen waren; da sie aber keine Spur des Flosses entdeckt hatten, so vermutheten sie, daß die Jäger auf demselben weiter stromabwärts geschwommen seien.
    Jetzt erst faßte Schwarzvogel seinen Entschluß. Er ließ sich auf ein Pferd binden und ritt, von sämmtlichen Kriegern begleitet, dem Orte zu, wo nach dem Berichte des Boten die Apachen auf ihn warteten.
    Die Sonne goß ihre Lichtströme über die Wüste aus, als Schwarzvogel mit seiner Truppe bei den Gummibäumen ankam, wo er im Vereine mit den andern Häuptlingen am vorigen Tage beim Berathungsfeuer gesessen hatte. Nach der erlittenen Niederlage und der nächtlichen

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