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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wollen die Bleichgesichter nicht um Mitleid bitten?«
    »Mitleid? Bist du toll? Frage mich doch lieber, ob ich geneigt bin, Mitleid mit euch zu haben!«
    Der Häuptling führte ihn mit einem Blicke, in welchem ebensowohl Erstaunen als Bewunderung lag, zur Seite, wo die vier Weißen sich außerhalb des Kreises der Roten niedersetzen sollten, um die Beratung nicht belauschen zu können. Dann verfügte er sich nach dem Platze, welchen er schon vorher eingenommen gehabt hatte.
    Die Augen der Jäger richteten sich natürlich nach den beiden Pfählen. Dort hingen die zerfleischten Körper und Glieder der Mörder an den von den Hunden vielfach zerrissenen Riemen nieder, ein wirklich grauenhafter Anblick.
    Nun begann die entscheidende Sitzung, welche ganz in indianischer Weise abgehalten wurde. Erst sprach der »große Wolf« eine lange Zeit; dann folgten die Häuptlinge einer nach dem andern; der Wolf begann wieder, die andern auch; gewöhnliche Krieger durften nicht sprechen; sie standen ehrfurchtsvoll lauschend im Kreise. Der Indianer ist wortkarg; aber bei Beratungen spricht er gern und viel. Es gibt Rote, welche als Redner eine ganz bedeutende Berühmtheit erlangt haben.
    Die Beratung nahm wohl zwei Stunden in Anspruch, eine lange Zeit für diejenigen, deren Schicksal von dem Erfolge derselben abhängig war; dann kündete ein allgemein und laut gerufenes »Howgh!« den Schluß der Sitzung an. Die Weißen wurden geholt; sie mußten in das Innere des Kreises treten, um dort ihr Schicksal zu vernehmen. Der »große Wolf« erhob sich von der Erde, um ihnen dasselbe zu verkündigen: »Die vier Bleichgesichter haben bereits gehört, weshalb wir die Kriegsbeile ausgegraben haben; ich will es ihnen nicht wiederholen. Wir haben geschworen, alle Weißen, welche in unsre Hände geraten, zu töten, und ich dürfte mit euch keine Ausnahme machen. Ihr seid mir hierher gefolgt, damit über euch beraten werde, und habt mir versprochen, keine Gegenwehr zu leisten. Wir wissen, daß ihr die Freunde der roten Männer seid, und darum sollt ihr nicht das Schicksal der andern Bleichgesichter, welche wir fangen werden, teilen. Diese kommen sofort an den Marterpfahl; ihr aber sollt um euer Leben kämpfen dürfen.«
    Er machte eine Pause, welche Old Shatterhand zu der Frage benutzte: »Mit wem? Wir vier Personen gegen euch alle? Gut, ich bin einverstanden. Meine Todesflinte wird viele von euch in die ewigen Jagdgründe senden!«
    Er erhob den Stutzen. Der Häuptling vermochte nicht ganz seinen Schreck zu verbergen; er machte eine schnelle, abwehrende Bewegung und antwortete: »Old Shatterhand irrt sich, jeder von euch soll einen Gegner haben, mit welchem er kämpft, und der Sieger hat das Recht, den Besiegten zu töten.«
    »Damit bin ich einverstanden. Wer aber hat das Recht, unsre Gegner zu wählen, wir oder ihr?«
    »Wir. Ich werde eine Aufforderung ergehen lassen, auf welche sich Freiwillige melden.«
    »Und wie oder mit welchen Waffen soll gekämpft werden?«
    »So, wie derjenige von uns, welcher sich meldet, bestimmt.«
    »Ach! Nach unsern Wünschen werdet ihr euch also da nicht richten?«
    »Nein.«
    »Das ist ungerecht.«
    »Nein, das ist gerecht. Du mußt bedenken, daß wir im Vorteile vor euch sind und also auch einen Vorteil zu verlangen haben.«
    »Im Vorteile? Wieso?«
    »So viele gegen vier.«
    »Pshaw! Was sind alle eure Waffen gegen meine Todesflinte! Nur derjenige, welcher sich fürchtet, verlangt einen Vorteil vor dem andern.«
    »Sich fürchtet?« fragte der Wolf mit blitzenden Augen. »Willst du mich beleidigen? Willst du etwa behaupten, daß wir uns fürchten?«
    »Ich sprach nicht von euch, sondern im allgemeinen. Wenn ein schlechter Läufer mit einem bessern um die Wette läuft, so pflegt er eine Vorgabe zu begehren. Indem du uns in das Nachteil versetzest, gibst du mir das Recht zu der Ansicht, daß du uns für bessere Krieger hältst, als ihr seid. Und das würde ich als Häuptling der Utahs nicht thun.«
    Der »große Wolf« blickte eine ganze Weile vor sich nieder. Er konnte dem Jäger nicht unrecht geben, mußte sich aber hüten, ihm beizupflichten; darum sagte er endlich: »Wir haben euch schon so viel Nachsicht erwiesen, daß ihr keine weitere verlangen dürft. Ob wir uns vor euch fürchten, werdet ihr beim Kampfe erfahren.«
    »Gut; aber ich fordere ehrliche Bedingungen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du sagst, daß der Sieger das Recht habe, den Besiegten zu töten. Wie nun, wenn ich einen deiner Krieger besiege und

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