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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das weiche Moos. Der Platz war wie dazu gemacht, das Lager heimlich und dabei mit aller Gemütlichkeit zu beobachten.
    Man sah die Utahs vor demselben stehen nach Süden hin. Dann erblickte man zwei Männer, welche sich von dem Haufen trennten und aus Leibeskräften südwärts rannten. Old Firehand nahm sein Fernrohr vor das Auge, sah hindurch und rief: »Ein Wettlauf zwischen einem Roten und einem Weißen! Der Rote ist schon weit voran und wird siegen. Der Weiße ist ein sehr kleiner Kerl.«
    Er gab dem Apachen das Rohr. Kaum hatte dieser den kleinen Weißen vor das Glas bekommen, so fuhr er auf: »Uff! Das ist der Hobble-Frank! Dieser kleine Held muß um sein Leben laufen und kann den Roten unmöglich überholen.«
    »Der Hobble-Frank, von dem du uns erzählt hast?« fragte Old Firehand. »Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen; wir müssen einen Entschluß fassen!«
    »Jetzt noch nicht,« meinte der Apache. »Noch hat es keine Gefahr. Old Shatterhand ist ja bei ihm.«
    Die Bäume standen so, daß man nicht das ganze Terrain des Wettlaufes zu übersehen vermochte. Die beiden Läufer waren rechts verschwunden; man erwartete ihre Rückkehr und war natürlich überzeugt, daß der Rote zuerst erscheinen werde. Wie erstaunte man aber, als an Stelle dessen der Kleine erschien, ganz gemächlich gehend, als ob es sich um einen Spaziergang handle.
    »Der Frank zuerst!« rief Old Firehand. »Wie ist das möglich!«
    »Durch List,« antwortete Winnetou. »Er hat gesiegt, und wir werden es erfahren, wie er es angefangen hat. Hört ihr, wie die Utahs zornig schreien! Sie entfernen sich; sie kehren in das Lager zurück. Und seht, dort stehen vier Bleichgesichter; ich kenne sie.«
    »Ich auch,« rief Droll. »Old Shatterhand, der lange Davy, der dicke Jemmy und dieser kleine Hobble-Frank.«
    Diese Namen erregten allgemeines Aufsehen. Einige kannten einen oder mehrere der Genannten persönlich; die andern hatten genugsam von ihnen gehört, um ihnen das größte Interesse zu widmen. Die Bemerkungen flogen hin und her, bis Winnetou zu Old Firehand sagte: »Sieht mein Bruder jetzt, daß ich recht hatte? Unsre Freunde haben ihre Waffen noch; es kann also nicht gefährlich um sie stehen.«
    »Einstweilen noch, ja; aber wie bald kann sich das ändern. Ich schlage vor, ganz offen hinzureiten.«
    »Will mein Bruder hin, so mag er es thun; ich aber bleibe hier,« antwortete der Apache in sehr bestimmtem Tone. »Old Shatterhand kennt die Verhältnisse und weiß, was er thut; wir aber kennen sie nicht und würden ihn vielleicht in der Ausführung seines Planes stören. Bleibt hier, ich werde so weit wie möglich vordringen, um zu erfahren, was geschieht.«
    Er behielt das Fernrohr in der Hand und verschwand zwischen den Bäumen. Es verging eine lange halbe Stunde; da kehrte er zurück und meldete: »Es gibt mitten im Lager einen Zweikampf. Die Utahs stehen so eng beisammen, daß ich die Kämpfenden nicht sehen konnte; aber den Hobble-Frank sah ich. Er zog die Pferde heimlich und vorsichtig hinter das Zelt und gab ihnen die Decken. Die Weißen wollen fort.«
    »Und heimlich? Also fliehen?« fragte Old Firehand. »So postieren wir uns hier an den Weg und nehmen sie auf oder gehen ihnen gar entgegen.«
    »Keins von beiden,« entgegnete der Apache kopfschüttelnd.
    »Meine Ansichten scheinen heute bei meinem roten Bruder stets auf Widerspruch zu stoßen!«
    »Old Firehand mag nicht zürnen, sondern nachdenken. Was werden die Roten thun, wenn die Weißen fliehen?«
    »Sie werden dieselben verfolgen.«
    »Wenn man vier oder sechs Männer verfolgt, wie viele Krieger braucht man dazu?«
    »Nun, zwanzig bis dreißig.«
    »Gut! Diese werden wir sehr leicht besiegen. Wenn wir uns aber den Utahs zeigen, wird der ganze Stamm hinter uns her sein, und dann muß viel Blut fließen.«
    »Du hast recht, Winnetou. Aber wir können die Roten doch nicht blind machen. Sie werden unsre Zahl sehr bald aus der Fährte erkennen.«
    »Sie werden die Fährte betrachten, welche vor ihnen ist, aber nicht diejenige, welche sich hinter ihnen befindet.«
    »Ach, du meinst, daß wir ihnen folgen?«
    »Ja.«
    »Ohne daß wir uns Old Shatterhand zeigen?«
    »Wir werden mit ihm sprechen, aber nur du und ich. Horch! Was ist das?«
    Vom Lager her erscholl ein fürchterliches Geheul, und gleich darauf sah man vier Reiter im Galopp aus demselben kommen. Es waren die Weißen. Sie schlugen die Richtung nach dem obern Ende des Sees ein, hatten also die Absicht, den Bach zu

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