Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Reichtümer, gegen welche deine Silberader die reinste Armut ist.«
»Ah! Meinst du den Schatz im Silbersee?«
»Allerdings.«
»Was weißt du davon?«
»Mehr, als du denkst. Du wirst es später erfahren, wenn mehr Zeit als jetzt dazu ist. Aber du selbst sprichst von diesem Schatze. Von wem hast du darüber erfahren?«
»Von – – na, auch davon später. Mache dich fort! Ich sehe Indianer aus dem Lager kommen.«
»Hierher?«
»Ja, zu Pferde.«
»Wie viele?«
»Fünf.«
»Pshaw! Sie sind nicht zu fürchten; aber ihr dürft euch doch nicht vor ihnen sehen lassen. Es ist die Avantgarde, welche uns nicht aus den Augen lassen soll; das Gros wird jedenfalls bald folgen. Also vorwärts! Auf Wiedersehen im Nachtcanon!«
Er gab seinem Pferde die Fersen und ritt mit den drei Begleitern davon. Old Firehand und Winnetou duckten sich nieder, um die fünf Utahs zu beobachten. Sie kamen heran und ritten, die Blicke aufmerksam nach vorn und gegen die Erde gerichtet, vorüber, ohne zu ahnen, was für gefährliche Leute sich in der Nähe befanden.
Nun kehrten die beiden zu ihren Leuten zurück. Diese hatten sich in den Wald zurückgezogen und befanden sich nahe der Einmündung des Baches in den See. Old Firehand wollte ihnen mitteilen, was er mit Old Shatterhand besprochen hatte; da fiel sein Auge auf mehrere Utahfrauen, welche sich dem Ufer des Sees näherten; sie trugen die zum Angeln nötigen Gerätschaften in den Händen. Er machte Winnetou auf sie aufmerksam und sagte: »Wenn man diese Squaws belauschen könnte, so würde man über die Absicht ihrer Krieger vielleicht etwas erfahren.«
»Winnetou wird es versuchen, wenn sie nahe genug herankommen,« antwortete der Apache.
Ja, sie kamen nahe genug herbei. Sie wollten nicht im See, sondern in der Mündung des Baches fischen. Dort setzten sie sich unter Büschen nebeneinander ans Ufer hin, warfen die Angeln aus und sprachen miteinander. Sie schienen es gar nicht zu wissen oder wenigstens sich nicht daran zu kehren, daß der Angler nicht sprechen darf. Winnetou wand sich wie eine Schlange zu ihnen hin und legte sich hinter die Büsche, an denen sie saßen. Es war unterhaltend, sie und zugleich auch ihn beobachten zu können. So lag er wohl über eine Viertelstunde und kehrte dann zurück, um zu melden: »Wenn diese Squaws nicht besser schweigen lernen, werden sie niemals eine Forelle fangen. Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen wollte.«
»Und was war das?« wurde er gefragt.
»Die fünf Krieger, welche an uns vorüberritten, sollen die Fährte Old Shatterhands deutlicher machen, und in kurzer Zeit werden fünfzig andre folgen, angeführt von dem »großen Wolfe«.«
»So ist er unverletzt?«
»Ja. Der Hieb Old Shatterhands hat ihm die rechte Hand gelähmt und seinen Atem ins Stocken gebracht. Dieser ist ihm zurückgekehrt und die Hand hindert ihn nicht, die Verfolgung selbst zu leiten. Old Shatterhand soll erschossen werden, damit er den Navajos nichts über die Absichten der Utahs verraten kann. Diese letzteren zerstreuen sich heute in der ganzen Gegend, um zu jagen und Fleisch zu machen, denn morgen soll das Lager abgebrochen werden.«
»Wohin wird es verlegt?«
»Die Frauen und Kinder ziehen zu den Alten in die Berge, wo sie sicher sind; die Krieger aber folgen dem »großen Wolfe« nach, um den Versammlungsplatz aller Utahstämme aufzusuchen.«
»Wo ist derselbe?«
»Das schienen die Squaws nicht zu wissen. Mehr konnte ich nicht erfahren; es ist aber für das, was wir vorhaben, genug.«
»So können wir nichts thun, als warten, bis der »große Wolf« mit seinem Truppe vorüber ist. Daß er fünfundfünfzig Männer mit sich nimmt, zeigt uns, welchen Respekt er vor Old Shatterhand hat. Eine solche Überzahl gegen vier Weiße!«
»Old Shatterhand ist mein Freund und Schüler,« meinte Winnetou stolz. »Er hat fünfundfünfzig nicht zu fürchten.«
Nun legte man sich auf die Lauer, bis wohl nach einer Stunde der »große Wolf« mit seinen Leuten kam. Sie ritten vorüber, ohne einen Blick unter die Bäume zu werfen. Ihr Aussehen war ein höchst kriegerisches. Sie waren ohne Ausnahme mit Schießgewehren bewaffnet. Der Häuptling trug die rechte Hand in einer Binde. Sein Gesicht war noch dicker bemalt als am Morgen. Von seinen Schultern hing der mit Federn geschmückte Kriegsmantel auf den Rücken des Pferdes nieder; aber der Kopf trug nicht mehr den Schmuck der Adlerschwingen. Er war besiegt worden und wollte diese Auszeichnung erst wieder anlegen,
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