Frucht der Sünde
Ein kleiner Gruß des Autors an seine deutschsprachigen Leser
Wenn mir jemand vor zwölf Jahren gesagt hätte, dass ich einmal ausgerechnet über eine Pfarrerin eine ganze Krimiserie schreiben würde, hätte ich ihn vermutlich kurzerhand rausgeworfen und die Türen verrammelt.
Das Genre der Kirchenkrimis kannte ich nur allzu gut. Ich hatte nichts
gegen
diese Romane, und falls Sie ein Fan oder womöglich gar ein Autor von Kirchenkrimis sind, tue ich Ihnen vermutlich unrecht. Auf alle Fälle wollte ich absolut
nichts
damit zu tun haben. Das war mir alles zu kuschelig, zu vorhersehbar und zu … na ja, zu religiös eben.
Ich habe lange gebraucht, um einzusehen, dass – wenn ich eine Welt der Ambivalenz, der Unsicherheiten und der Paranoia darstellen wollte – eine Pfarrerin exakt das war, was ich brauchte. Und ganz besonders eine, die auf den Posten des «Beraters für spirituelle Grenzfälle» berufen wird – oder, wie die landläufige Bezeichnung lautet, auf den Posten des Exorzisten.
Ich bin sicher, dass es auch in Deutschland welche gibt. In England haben wir noch heute mindestens einen Exorzisten in jedem Bistum. Seine Aufgabe besteht darin, Meldungen über Spukhäuser,Poltergeist-Phänomene und gelegentlich auch Hinweisen auf angebliche dämonische Besessenheit nachzugehen. Vergessen Sie aber am besten alles, was Sie über das Thema gehört oder im Fernsehen gesehen haben. Für diesen Job eignen sich nämlich nur abgebrühte Skeptiker.
Früher tauchten Exorzisten hauptsächlich in Horrorromanen auf. Ich hatte etwas Subtileres im Sinn. Und ich wollte die Arbeit eines modernen Exorzisten so stimmig und authentisch wie möglich im Rahmen eines
Kriminalromans
darstellen. Ich wollte die Grenzbereiche erkunden, in denen die Schulpsychologie auf die etwaige Existenz von etwas
anderem
trifft. Ich wusste, es würde ein gefährlicher Balanceakt werden, und ich wusste auch, dass ich dafür eine ganz besondere und sympathische Hauptfigur brauchte.
Und so ist Merrily Watkins meine Beraterin für spirituelle Grenzfälle in der Diözese von Hereford geworden, einer schönen, ländlichen Gegend an der englisch-walisischen Grenze. Genau wie viele andere Männer und Frauen, die in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft diesem im Mittelalter geformten Berufsstand angehören, ist sie nie ganz sicher, wie viel sie wirklich
glauben
darf. Es hilft ihr dabei auch nicht gerade, dass sie mit Psychiatern und der Polizei zusammenarbeiten muss. Oder dass man ihre Arbeitgeberin, die Kirche von England, keineswegs von Vorurteilen, Sexismus, Habsucht und Korruption freisprechen kann. Oder dass Merrily eine alleinerziehende Mutter mit einer Tochter im Teenageralter ist, die sich stark zu esoterischem Klimbim hingezogen fühlt.
Kein Wunder, dass Merrily raucht. Kein Wunder, dass sie sich bisweilen einer Ausdrucksweise bedient, die geeignet wäre, Pfarrerstöchter erröten zu lassen. Es überrascht mich immer wieder, dass die meisten Leser sie dennoch ziemlich zu mögen scheinen – sogar einige Geistliche.
Merrily ist Mitte dreißig, zierlich, gutaussehend und mit Selbstironie begabt. Das Wort
fromm
kann sie nicht ausstehen. Ihr Liebster schlägt sich als Folkrock-Musiker durchs Leben, und ihre besten Freunde sind ein zynischer Polizist aus Liverpool und ein höchst temperamentvoller Totengräber, der sich auch als Baggerfahrer betätigt.
Es ist so gut wie sicher, dass Merrily ohne die beunruhigenden Ereignisse, von denen dieses Buch erzählt, nie im Leben bereit gewesen wäre, den Job der Exorzistin anzunehmen. Ereignisse wie die Morde an jungen Mädchen, Hexereigerüchte und nicht zuletzt Merrilys immer stärker werdende Ahnung, sie und ihre Tochter Jane wären in dem riesigen dunklen Pfarrhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert vielleicht doch nicht ganz allein … Ich hoffe, das alles gefällt Ihnen, denn hier geht die Reise los.
Tränen sind der Wein der Engel … und das Beste …,
um das Feuer des Teufels zu löschen.
Aus einer Meditation des siebzehnten Jahrhunderts,
Thomas Traherne zugeschrieben
Prolog
Des Winters Frost und graues Haar
Mit Girlanden bekränzt …
Thomas Traherne,
Gedichte der Seligkeit
Dreikönigsnacht
Der knorrige alte Teufel.
Er sah aus, als krümme sich jeder schorfige Ast aufgrund eines anderen Grolls, und wenn man ihn berührte, standen überall scharfe, spitze Rindenstücke hervor, als wären es Dornen. Und Früchte trug er auch nicht, aus Prinzip, Cider hin
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