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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wahrheit dieses Vorwurfes einzusehen, denn er entgegnete nichts. Als sie bei den andern ankamen, wurden sie von dem »langen Ohr« mit der Frage empfangen: »Es waren vier Utahs. Warum gingt ihr nur zu dreien?«
    »Weil wir genug Männer waren,« antwortete Old Firehand unwirsch.
    »Es gab noch andre Männer. Auch ich bin Häuptling; ich gehörte zur Beratung, grad so gut wie ihr.«
    »Es ist genug unnütz gesprochen worden; wir brauchten nicht noch einen vierten.«
    Das »lange Ohr« schwieg; aber wäre sein Gesicht nicht mit Farbe beschmiert gewesen, so hätte man ihm angesehen, wie er sich ärgerte. Er befand sich überhaupt in schlechter Laune. Er war von Droll blamiert worden, ohne seinen Groll darüber laut werden zu lassen. Und sodann hatte auch Old Shatterhand ihn durch die Verhinderung des Skalpierens vor seinen Leuten schwer beleidigt. Der Häuptling war ein Feigling, welcher nicht den Mut besaß, offen zu widerstreben; aber der Zorn, den er nicht sehen ließ, saß in seinem Innern um so fester.
    Es begann zu dämmern und wurde dann Nacht. Zwar war nicht anzunehmen, daß die Utahs einen Angriff wagen würden, aber es mußten dennoch Maßregeln getroffen werden, einen etwaigen Überfall zu vereiteln. Man mußte Wachen ausstellen. Das »lange Ohr« erbot sich freiwillig, das mit einigen seiner Leute zu übernehmen, und es konnte ihm nicht abgeschlagen werden. Aber um nichts zu versäumen, wies Old Shatterhand ihm und den betreffenden Timbabatschen ihre Plätze an und schärfte ihnen ein, ja nicht weiter vorzudringen.
    Es waren mit dem Häuptlinge fünf Mann, welche eine Linie quer über den Canon bildeten. Das »lange Ohr« befand sich auf dem äußersten rechten Flügel. Old Shatterhand legte sich auf die Erde und kroch vorwärts, um vielleicht die Utahs zu belauschen. Es gelang ihm in kurzer Zeit und vollständig, obgleich sie drei Posten ausgestellt hatten, von denen er aber nicht bemerkt wurde. Er wagte es sogar, zwischen ihnen hindurchzukriechen und sah dann, daß die Feinde sich da, wo der Canon plötzlich breiter wurde, dicht neben- und hintereinander quer über denselben gelagert hatten. Er kehrte befriedigt zurück.
    Das »lange Ohr« hatte gesehen, daß der Jäger rekognoszierte. Es ärgerte ihn, daß man ihm das nicht anvertraut hatte. Er, der Häuptling eines roten Stammes, verstand es jedenfalls viel besser, als so ein Bleichgesicht. Der Groll in ihm nagte weiter und weiter. Er wünschte, diesen Weißen zeigen zu können, daß er eine wichtige Person sei, welche man nicht umgehen dürfe. Wie nun, wenn die Roten etwas im Schilde führten und es ihm gelänge, dies zu erlauschen! Dieser Gedanke ließ ihm keine Ruhe, und endlich beschloß er, ihn auszuführen. Er kroch vorwärts, weiter und weiter. Aber es war nicht so leicht, wie er sich vorgestellt hatte, denn das Steingeröll lag nicht fest; es bewegte sich unter seinen langen Gliedern. Darum mußte er seine Aufmerksamkeit mehr unter sich als vor sich richten. Wieder kollerte unter ihm ein Stein – neben ihm tauchte etwas Dunkles auf, vor ihm auch; zwei kräftige Hände legten sich ihm wie Eisenklammern um den Hals; zwei andre Hände hielten seine Arme an den Leib; sein Atem stockte, und er verlor die Besinnung.
    Als er wieder zu sich kam, lag er zwischen zwei Männern, welche ihm die Spitzen ihrer Messer auf die entblößte Brust hielten. Seine Glieder waren gefesselt, und in seinem Munde steckte ein Knebel. Er machte eine Bewegung, welche von einem dritten, der ihm zu Häupten saß, bemerkt wurde. Dieser sagte mit leiser Stimme, indem er ihm die Hand auf den Kopf legte: »Wir haben das »lange Ohr« erkannt. Ich bin der »alte Donner«. Wenn das »lange Ohr« klug ist, wird ihm nichts geschehen; ist er aber unklug, so wird er die Messer kosten, welche er auf seiner Brust fühlt. Er mag mir durch ein Nicken mit dem Kopfe zu erkennen geben, ob er meine Worte hört!«
    Der gefangene Häuptling gab das gewünschte Zeichen. Er lag hier zwischen Leben und Tod, und es verstand sich ganz von selbst, daß er das Leben wählte. Es überkam ihn eine große Genugthuung bei dem Gedanken, daß es ihm jetzt möglich sei, sich an den stolzen, eingebildeten Weißen für die ihm widerfahrene Zurücksetzung und Beleidigung zu rächen.
    »Das »lange Ohr« mag mir ferner zu verstehen geben, ob er nur leise sprechen will, wenn ich ihm den Knebel aus dem Munde nehme,« fuhr der andre fort.
    Der Aufgeforderte nickte wieder, und sofort wurde der Knebel entfernt, doch

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