Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
brauchen uns ja darüber, ob er unsere Spuren finden wird, gar nicht zu streiten. Er braucht uns gar nicht nachzuspüren, denn er weiß genau, wohin wir wollen.«
»Unmöglich! Wer sollte es ihm gesagt haben? Unter den Leitern unsres Planes gibt es keinen Verräter, und die tiefer Gestellten wissen nichts.«
»Haben Sie vorhin nicht gehört, daß er uns jedenfalls belauscht hat?«
»Ja. Aber was hat er gehört?«
»Ich habe darüber nachgedacht, und es ist mir eingefallen, worüber die Señores kurz vor dem Ausbruche des Feuers gesprochen haben. Ich selbst aber habe geschwiegen und mich an diesem verräterischen Gespräche nicht beteiligt.«
»Nun, worüber sprachen wir? Ich entsinne mich nicht, ein Wort gesprochen zu haben, welches an uns zum Verräter hätte werden können.«
»O doch! Sie sprachen von unsern Waffenverstecken.«
»Aber nicht davon, wo dieselben liegen!«
»Sodann sprachen Sie davon, daß Sie Boten an die Grenzorte gesandt hätten, um Ihre Soldaten nach dem Lago zu beordern.«
»Habe ich den Namen dieses Lago genannt?«
»Nein.«
»Nun, es gibt sehr viele Lagos; er mag sich denjenigen, den ich meinte, heraussuchen!«
»Er sucht nicht nach ihm, sondern er kennt ihn in diesem Augenblicke vielleicht schon sehr genau.«
»Wieso?«
»Sie vergessen ganz, daß unsre Gefangenen jetzt bei ihm sind. Wir waren ihrer leider so sicher, daß wir in ihrer Gegenwart mehr als genug von Dingen gesprochen haben, welche nicht für fremde Ohren, am allerwenigsten aber für das Ohr eines solchen Feindes sind.«
»Kennen sie den Namen des Lago?«
»Sehr genau, Sie selbst haben ihnen damit gedroht, daß sie in dem Wasser dieses Sees ersäuft werden sollen.«
»Teufel! Das ist freilich unangenehm! Aber wer konnte wissen, daß sie uns schon nach kurzer Zeit wieder entkommen würden! Nun wird er wohl schleunigst nach diesem Lago de los Carandayes reiten.«
»Das würde er allerdings, wenn ich nicht wäre. Ich werde ihn irre führen. Wir sind von Süden her über den Fluß gekommen, um nach dem Norden oder Nordwest zu gehen. Wir werden aber wieder umkehren, um über den Fluß zurückzugehen.«
»Welcher Einfall, welcher Umweg!«
»Kein Umweg. Wenn wir jetzt gleich aufbrechen und uns einen andern Einschnitt suchen, durch welchen wir den Wald wieder hinter uns legen können, so sind wir am Morgen am Flusse, reiten hindurch und eine Strecke in das Land hinein. Das wird ein Parforceritt bis heute abend. Da ruhen wir nur zwei oder drei Stunden aus und kehren auf einem andern Wege wieder nach hier zurück.«
»Wieder ein Tagesritt, also zwei Tage Verlust!«
»Was bedeutet dieser Verlust, wenn wir dadurch den Vater Jaguar von uns abschütteln!«
»Wird uns das gelingen?«
»Unbedingt. Ich garantiere.«
»Und ich möchte es bezweifeln.«
»Weil Sie es nicht verstehen. Der Jaguar wird erst am Morgen seine Verfolgung aufnehmen; da sind wir aber schon am Flusse, den er, da er langsam reiten muß, weil er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Fährte zu richten hat, erst am Abende erreicht. Am zweiten Abende würde er an die Stelle kommen, an welcher wir wieder umkehren wollen; aber er wird sie gar nicht finden, da die Spur inzwischen verweht oder sonst unkenntlich geworden ist.«
»Glauben Sie?«
»Ja. Der Vater Jaguar wird dann überzeugt sein, daß wir über den Fluß zurück sind, und zwar aus Angst vor ihm, und vor Stolz darüber wird er sich so aufblähen, daß ihm der Verstand zerplatzt und er alles glaubt, was wir ihm weisgemacht haben.«
»Das wäre allerdings höchst vorteilhaft für uns. Ich wollte es sehr gern gut heißen, wenn ich wüßte, daß es auch gelingen wird.«
»Es gelingt.«
»So könnten wir doch nach Fort Tio gehen, um uns frisch zu verproviantieren!«
»Ja, das können wir. Ich bin einverstanden.«
Antonio Perillo hatte nichts dagegen einzuwenden, und der Häuptling erklärte:
»Der Plan des Gambusino ist sehr scharfsinnig erdacht.
Wir werden den Jaguar irre leiten und seinen Tatzen entgehen. Wie viele Männer hat er denn eigentlich bei sich?«
»Genau kann ich das nicht sagen. Soviel ich in der Dunkelheit zu erkennen vermochte, werden es zwischen zwanzig und dreißig sein.«
»Das ist genug für ihn. Wir zählen zwar zehnmal zehn Krieger, aber seine Männer sind waffengeübter als die meinigen. Da ist es auf alle Fälle besser, wir kommen erst dann mit ihm zusammen, wenn noch andre Horden der Abipones zu uns gestoßen sind. Lassen Sie uns also aufbrechen, damit wir ihn baldigst
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