Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
hinter welchem er sich befand, sprang er blitzschnell hervor und schlug auf ihn ein – ein einziger Hieb, und der Indianer brach zusammen, um sich nicht mehr zu bewegen.
»Mein Gott, du hast ihn erschlagen!« flüsterte Anton, indem er rasch herbeikam.
»Wahrscheinlich ist er tot; dennoch ist es möglich, daß er noch lebt. Bleib hier bei ihm. Wenn er erwacht, ehe ich zurückkehre, stößest du ihm dein Messer in das Herz. Du hast doch den Mut, dies zu thun?«
»Im Kampfe, ja; aber einem Wehrlosen – – – !«
»Wir befinden uns im Kampfe, und wenn er erwacht, ist er nicht wehrlos. Seine Stimme ist dann eine Waffe, wie es für uns gar keine gefährlichere geben kann. Ich verlange unbedingt, daß du mir gehorchest!«
Der sonst so schweigsame Inka war während ihres abenteuerlichen Ganges ungewöhnlich mitteilsam gewesen, jedenfalls um seinen jungen Gefährten zu belehren. Jetzt zeigte er sich von einer noch andern Seite. Er trat als Herr und Gebieter auf, und obgleich er nur leise sprach, geschah dies doch in einer Weise, welche keine Widerrede duldete.
jetzt nahm er eilends die beiden Ponchos, welche der Posten getragen hatte, und hüllte sich genau in derselben Weise hinein. Dann schritt er langsam und würdevoll unter den Bäumen hinaus und ging dort ebenso wie vorher der Wächter auf und ab. Wer es nicht wußte, was geschehen war, mußte ihn unbedingt für diesen halten.
Anton blieb mit gezogenem Messer bei dem gefallenen Indianer sitzen und beobachtete bald diesen und bald seinen jungen mutigen Freund, dessen jetziges Gebaren er freilich nicht sofort begreifen konnte.
Als Haukaropora eine Zeit lang den Posten nachgeahmt hatte, ging er mit leisen Schritten von einem Feuer zum andern, nicht um sie zu schüren, sondern um die Schläfer zu beobachten. Es war keiner von ihnen wach; dann begab er sich zu den Gefangenen und setzte sich bei ihnen nieder. Sie waren noch wach, denn die Lage, in der sie sich befanden, scheuchte den Schlaf von ihren Augen.
Sie hielten ihn natürlich für den Indianer, welcher sie bewachen sollte, denn er hatte den Poncho so um den Kopf und das Gesicht geschlagen, daß nur seine Augen zu sehen waren. Er kannte auch die roten Begleiter des Häuptlings, den Weißen aber, welcher ein noch ziemlich junger Mann war, hatte er noch nie gesehen. Aus Rücksicht auf diesen letzteren mußte er spanisch sprechen. Dies that er, indem er nach einer Weile den Poncho so weit lüftete, daß man sein Gesicht nicht sehen, aber seine Stimme hören konnte, und sagte in halblautem Tone:
»El Craneo duro ist betrübt; bald aber wird er fröhlich sein. Wenn er mir jetzt antwortet, mag er leise sprechen!«
Der Häuptling hatte halb von ihm abgewendet gelegen; jetzt wendete er ihm das Gesicht voll zu und antwortete, wie ihm geboten war, mit leiser Stimme:
»Was sprichst du zu mir? Willst du mich verhöhnen, indem du freundlich zu uns thust?«
»Es ist nicht Hohn, sondern Aufrichtigkeit. Ihr seid Männer und werdet euch also beherrschen können. Laßt keinen Ton hören, der mich und euch verraten könnte! Ich bin da, um euch zu retten.«
»Du, der Abipone?«
»Ich bin kein Abipone, sondern ich heiße Haukaropora und bin der Sohn deines Freundes Anciano.«
»Du wärst Haukaro – – –«
Der Name blieb ihm vor Verwunderung auf der Zunge hängen.
»Ja, ich bin es,« fuhr der Jüngling fort. »Überzeuge dich!«
Er öffnete jetzt den Poncho so, daß sein Gesicht vollständig zu sehen war. Der Weiße beobachtete die Scene, ohne sich zu regen, die Cambas erkannten den Inka, der sein Gesicht schnell wieder verdeckte. Sie hätten gern vor Freude aufgejubelt, blieben aber still; doch sagte ein nicht zu beherrschendes Zucken und Bewegen ihrer gefesselten Körper deutlich genug, wie freudig sie überrascht waren.
»Habt ihr mich erkannt?« fragte er sie.
»Ja, ja,« stieß der Häuptling hervor, »du bist der Sohn unsres Freundes und selbst unser Freund. Es geschehen große Wunder. Wie kommst du unter die Abipones? Ich habe dich bis jetzt noch gar nicht bemerkt.«
»Ich gehöre nicht zu ihnen und war nicht bei ihnen; ich bin erst seit kurzer Zeit hier im Walde, um diese unsre Feinde zu beobachten. Ich lagerte mit mehr als zwanzig weißen Männern drüben jenseits des Sees und bemerkte eure Feuer. Da schlich ich mich, ohne daß jemand es bemerkte, mit einem jungen Freunde herüber, um zu erfahren, von wem diese Feuer angezündet seien. Ich sah die Abipones, und ich erkannte dich. Da nahm ich mir vor,
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