Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
meinige auch!« raunte ihm Anton begeistert zu. »Sage nur, wie wir es anzufangen haben. Ich werde alles thun, was du für richtig hältst.«
»Für jetzt hast du nichts zu thun, als still zu sein und dich so hinter deinem Baume zu halten, daß kein Lichtschein auf deinen Körper fällt.«
Die Abipones legten sich in Kreisen so um die Feuer, daß sie denselben ihre Füße zukehrten. Sie hüllten sich in ihre Ponchos, von denen viele zwei Stück besaßen. Der Häuptling war über den Quell zurückgekehrt und legte sich da drüben in derselben Weise nieder. Es hatten sich alle gelagert, die beiden Wächter ausgenommen, von denen der eine hinaus zu den Pferden ging, während der andre langsam auf- und abzuschreiten begann. Er hatte sich gegen den scharf wehenden Wind in seine zwei Decken gehüllt. Die eine trug er wie einen Weiberrock um die Hüften, und in die andre hatte er den Kopf in der Weise gehüllt, daß sie vorn nur die Augen frei ließ und ihm hinten lang über den Rücken herunterhing.
Die Umstände, welche von den beiden mutigen und unternehmenden Jünglingen in besondere Betracht gezogen werden mußten, waren folgende: Sie lagen natürlich nicht ganz unter den vordersten Bäumen. Um auf den Lagerplatz zu kommen, mußten sie zehn bis fünfzehn Schritte gehen. Von den äußersten Bäumen bis zu der Stelle, an welcher die Gefangenen lagen, war es ebensoweit. Der Wächter schritt an den Bäumen, also fast genau zwischen diesen beiden Punkten, hin und her, trat im Verlauf der ersten halben Stunde einige Male zu den Gefesselten, um nachzusehen, ob dieselben eingeschlafen seien. Das Lager war durch den Wald nicht vollständig vor dem Winde geschützt; er blies zuweilen so heftig in die Feuer, daß die Funken aufstoben und auf die Decken der Schläfer fielen. Um dieselben vor dem Versengtwerden oder gar Anbrennen zu bewahren, ging der Posten von Feuer zu Feuer und schob die brennenden Äste und Zweige so zusammen, daß die Flammen bedeutend kleiner und niedriger brannten. Er legte kein neues Material dazu, so daß vorauszusehen war, daß die Feuer bald erlöschen würden. Nur einem von den beiden, zwischen denen die Gefangenen lagen, gab er neue Nahrung, um sein Wächteramt treu ausführen zu können.
Es war fast eine Stunde vergangen, seit die Roten sich niedergelegt hatten. Da wurde Anton das Schweigen doch zu schwer, und er flüsterte seinem Gefährten, welcher während dieser langen Zeit nicht die geringste Bewegung gemacht hatte, zu.
»Ich glaube, sie schlafen jetzt fest, und wir dürfen nicht länger warten. Bedenke, welche Sorgen man drüben bei uns haben wird, wenn man unsre Abwesenheit bemerkt!«
»Man wird nur im ersten Augenblicke bange um uns sein,« antwortete der Inka; »dann aber wird mein Anciano die andern beruhigen. Er kennt mich und weiß, was er in diesem Falle zu denken hat. Dennoch bin ich mit deinen Worten einverstanden, wir müssen handeln.«
»Hast du dir überlegt, was wir thun werden?«
»Das bedarf keiner Überlegung, sondern es ist ganz selbstverständlich. Ich locke den Wächter hierher.«
»Wie ist das möglich?«
»Es ist möglich.«
»Womit, wodurch?«
»Das wirst du gleich hören. Paß genau auf, ob einer der Schläfer sich bewegt, wenn ich mich vernehmen lasse! Wenn das, was ich vorhabe, vollständig gelingen soll, darf keiner von ihnen munter sein.«
Er legte seine beiden Hände an den Mund und ließ ein leises, müdes Krächzen hören, wie man es wohl von einem Papagei vernimmt, welcher im Schlafe gestört worden ist.
Keiner der Indianer regte sich; aber der Posten blieb stehen, um zu horchen, woher der Ruf kam.
»Sieh, er lauscht,« flüsterte der Inka. »Wahrscheinlich kommt er her. Hast du etwas gesehen, daß ein Schläfer wach wurde?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Kriech rasch noch um zwei Bäume zurück, und lege dich platt auf die Erde, sonst sieht er dich, wenn er kommt!«
Anton gehorchte dieser Aufforderung, und der Inka ließ das Krächzen zum zweitenmal hören. Der Posten trat näher; beim drittenmal kam er unter die Bäume, und als es sich dann wiederholte, bog er sich zusammen und kam leise und höchst vorsichtig herbeigeschlichen, die Augen mit Spannung auf den Punkt gerichtet, von welchem aus die Töne erschollen waren. Dieser unbefangene Mensch glaubte also wirklich, es mit einem Papagei zu thun zu haben.
Der Inka nahm seinen schweren Streitkolben von der linken Seite und krächzte noch einmal, und als der Posten fast den Stamm erreicht hatte,
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