Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
grüßte:
» Good day, Sir! Nicht wahr, diese Niederlassung wird Forners Rancho genannt?«
»Ay, Master, das ist so,« antwortete der Farmer, indem er erst den Kleinen und dann die nachfolgenden Reiter musterte. »Ihr scheint wohl Emigranten zu sein, Master?«
»Yes, wenn Ihr nämlich nichts dagegen habt.«
»Ist mir recht, wenn ihr nur ehrliche Kerls seid. Wo kommt ihr her?«
»Ein wenig von Tucson herauf.«
»Da habt ihr einen bösen Weg gehabt, zumal Kinder bei euch sind. Und wo wollt ihr hin?«
»Gegen den Colorado zu. Ist der Ranchero da heim?«
»Yes, wie ihr seht. Ich bin es selbst.«
»So sagt, ob wir bis morgen früh bei Euch rasten dürfen?«
»Soll mir recht sein; denn ich hoffe, daß ich es nicht zu bereuen brauche, wenn ich euch diese Erlaubnis gebe.«
»Werden Euch nicht fressen; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Und was wir vielleicht von Euch entnehmen, das werden wir gern bezahlen.«
Er stieg ab. Der Oelprinz hatte erst fern gestanden, war aber näher gekommen und hatte alles gehört. Er wußte nun, daß er die Auswanderer vor sich hatte, von denen er von seinem Bruder und dem ungetreuen Führer gehört hatte. Die im Hofe befindlichen Personen kamen auch an das Thor, und zwar grad in dem Augenblicke, in welchem die Gesellschaft dort anlangte, um abzusteigen. Das ging aber nicht so glatt, wie man erwartet hatte. Der Maulesel, auf welchem Frau Rosalie saß, schien seinen Kopf für sich zu haben; er wollte sie nicht herablassen, sondern weiterlaufen. Der Hobble-Frank trat als stets galantes Kerlchen herbei, um ihr behilflich zu sein, und das empörte den Maulesel in der Weise, daß er mit allen vier Beinen zugleich in die Luft ging und sie abwarf. Die Frau hätte sicher einen schweren Fall gethan, wenn Frank nicht so gewandt gewesen wäre, sie aufzufangen. Aber anstatt ihm dafür dankbar zu sein, riß sie sich von ihm los, gab ihm einen sehr kräftigen Rippenstoß und fuhr ihn zornig an:
» Sheep’s-head! « – was so viel wie Schafskopf bedeutet.
» Sheep’s-nose – Schafsnase!« antwortete er in seiner wohlbekannten Zungenfertigkeit.
»Clown – Grobian!« fuhr sie wütend fort, indem sie ihm die geballte Rechte entgegenstreckte.
» Stupid girl – dumme Liese!« lachte er und wendete sich von ihr ab.
Sie hielt ihn für einen Amerikaner und hatte sich also derjenigen englischen Kampfeswörter bedient, welche ihr bekannt waren, die stupid girl aber brachte sie in solche Aufregung, daß sie seinen Arm faßte und ihn deutsch andonnerte, weil ihr englischer Sprachschatz nun nicht weiterreichte:
»Sie Esel, großartiger, Sie! Wie können Sie eine Dame schimpfen! Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllern. Ich werde Sie beim Gerichtsamte anzeigen! Erscht machen Sie mir meinen Esel irre; nachher quetschen Sie Ihre Arme um meine Tallje, und endlich werfen Sie mir Schimpfwörter ins Gesicht, die een anschtändiger Mensch gar nich kennen darf. Das muß gerochen werden! Ich werde Sie ganz exemplarisch beschtrafen lassen. Verschtehn Se mich?«
Sie blickte ihn höchst herausfordernd an und stemmte kampfeslustig beide Hände in die Hüften. Der Hobble-Frank trat vor Ueberraschung einen Schritt zurück und fragte:
»Wie war das? Ihr Name is Rosalie Eberschbach?«
»Ja,« antwortete sie, indem sie ihm diesen Schritt folgte.
»Geborene Morgenschtern?« fuhr er fort, indem er zwei Schritte retirierte.
»Natürlich! Oder hab’n Sie vielleicht etwas dagegen?« erwiderte sie, indem sie ihm um zwei Schritte folgte.
»Verwitwete Leiermüllern?«
»Na, freilich!« nickte sie.
»Aber da sind Sie doch wohl eene Deutsche?«
»Und was für eene! Sagen Se nur noch een falsches Wort, so werden Se mich kennen lernen! Ich bin gewöhnt, daß man per Galanterie mit mir verkehrt. Verschtehn Se mich!«
»Und ich bin doch galant gegen Sie gewesen!«
»Galant? I, was Se nich sagen! Is es etwa galant von Ihnen, sich an meinem Esel zu vergreifen?«
»Ich wollte ihn nur halten, weil er Ihnen nich gehorchte.«
»Nich gehorchte? Da hört aber gradezu alles und verschiedenes off! Mir gehorcht jeder Esel; das können Se sich merken! Und nachher haben Se mich in Ihren Armen halb zerdrückt. Der Atem ging mir aus, und das Feuer is mir förmlich aus den Oogen herausgefahren. Das muß ich mir schtreng verbitten. Mit eener Dame muß man hübsch sachte und behutsam verfahren. Wir sind das schönere und ooch das sanftere Geschlecht und wollen zart
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