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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Händen, wenigstens einen Versuch dazu ma chen können.
    Sie lagen nun still neben einander und warteten – – eine lange, lange Zeit, wie ihnen dünkte. Da hörten sie über sich ein Geräusch. Der Deckel wurde entfernt. Sie erblickten den blauen Sternenhimmel. Das Unwetter hatte sich also verzogen, und es war Abend geworden. Sie sahen, daß die Leiter herabgelassen wurde und der Häuptling an derselben herniederstieg. Er bückte sich nach ihnen und betastete sie mit seinen Händen. Als er sich überzeugt hatte, daß sie noch gefesselt waren und still gelegen hatten, sagte er:
    »Die weißen Hunde sind dümmer wie die heulenden Koyoten. Sie kommen in die Wohnung der roten Krieger, ohne zu bedenken, daß jetzt das Messer zwischen uns und ihnen ausgegraben ist. Sie haben uns unser Land, unsre heiligen Orte genommen und uns vertrieben; sie verfolgen und betrügen uns fort und fort. Sie kamen zu Wenigen und schwellen zu Millionen an; wir aber waren Millionen und müssen verschwinden wie die Mustangs und Bisons auf der Savanne. Aber wir sterben nicht, ohne uns zu rächen. Das Kriegsbeil ist ausgegraben, und alle Bleichgesichter, welche in unsre Hände fallen, sind verloren. So auch ihr. Morgen früh, sobald der Tag graut, werden die Marterpfähle errichtet werden, und euer Schmerzgeheul wird so laut in die Lüfte schallen, daß die Geier in Scharen kommen werden, um euch das blutige, vor Schmerz dampfende Fleisch vom lebendigen Leibe zu reißen. So wird es geschehen, denn Ka Maku, der Häuptling, hat es gesagt!«
    Nach diesen Worten stieg er wieder empor, zog die Leiter nach sich und legte den Deckel auf die Oeffnung.
    Seine Drohung war den beiden durch Mark und Bein gegangen; sie nahmen dieselbe ernst, denn sie wußten nicht, daß er im Auftrage handelte und ihnen ihr Schicksal nur deshalb in so düsterer Farbe malte, damit sie ihrem vermeintlichen Retter später um so dankbarer sein möchten.
    Dieser Besuch des Häuptlings drückte den Bankier vollständig nieder, und auch Baumgarten war bei weitem nicht mehr so zuversichtlich wie vorher. Schon morgen früh am Marterpfahle! Das war ja entsetzlich schnell und die Zeit viel, viel zu kurz zu einer möglichen Rettung!
    Sie teilten sich ihre Befürchtungen mit; sie zermarterten sich das Gehirn, um einen Ausweg zu finden; sie begannen wieder, an ihren Fesseln zu zerren, so daß dieselben ihnen in das Fleisch schnitten, doch ohne den geringsten Erfolg. Da – – es waren wohl einige Stunden vergangen, hörten sie wieder ein Geräusch. Sie blickten nach oben. Der Deckel wurde weggeschoben, und ein Kopf erschien über der Oeffnung.
    »Pst, pst, Mr. Rollins, seid Ihr etwa da unten?« hörten sie in unterdrücktem Tone fragen.
    »Ja, ja!« antwortete der Genannte, vor Freude laut, weil er Hoffnung schöpfte.
    »Leise, leise! Wenn man etwas von uns hört, bin ich verloren. Ist vielleicht Mr. Baumgarten bei Euch?«
    »Ja, ich bin auch hier,« antwortete der Deutsche.
    »Endlich, endlich finde ich euch! Ich habe euch unter tausend Todesgefahren gesucht, um euch zu retten. Habt ihr euch gewehrt? Seid ihr etwa verwundet?«
    Es klang eine fast liebevolle Besorgnis aus diesen Worten.
    »Nein, wir sind gesund und unbeschädigt,« antwortete Rollins.
    »So wartet eine kleine Weile; ich will sehen, ob es mir gelingt, eine Leiter herbeizuschaffen. Es stehen zwar überall Wächter da oben, aber ich will, um euch zu retten, gern mein Leben wagen.«
    Der Kopf verschwand aus der Oeffnung.
    »Gott sei Dank! Wir werden entkommen!« seufzte der Bankier, indem er sich durch einen tiefen, tiefen Atemzug erleichterte. »Das war Grinley, unser Oelprinz. Nicht?«
    »Ja,« antwortete der Buchhalter. »Zwar konnte ich sein Gesicht nicht sehen, aber ich habe ihn an der Stimme erkannt, obgleich er nur flüstern durfte.«
    »Er holt uns heraus; er riskiert sein Leben, um uns zu befreien. Ist das nicht brav, außerordentlich brav von ihm?«
    »Sehr!«
    »Da sieht man wieder einmal, wie sich Leute, die sonst scharfsinnig sind, in einem Menschen irren können! Man wollte ihn zum Betrüger stempeln. Jetzt können wir die feste Ueberzeugung haben, daß er unser vollstes Vertrauen verdient. Ihr seht, wie ehrlich und treu er ist. Ich werde gewiß nicht wieder an ihm zweifeln.«
    Jetzt erschien der Oelprinz wieder an der Oeffnung. Er ließ eine Leiter herab und forderte die beiden mit leiser Stimme auf:
    »Es ist mir gelungen. Da habt ihr die Leiter. Kommt herauf!«
    »Wir können nicht, denn wir sind

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