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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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langsam so in das Loch, daß es draußen aussehen mußte, als ob ein Menschenkopf in der Oeffnung erscheine. Draußen ertönte ein Ruf, und zugleich fielen mehrere Schüsse. Er zog das Gewehr wieder herein, untersuchte die Kopfbedeckung genau und sagte:
    »Zwei Kugeln sind hindurch, eine von unten und eine von oben. Was sagst du dazu, alter Sam?«
    Es dauerte eine ganze Weile, ehe der Gefragte antwortete. Sie warteten alle mit großer Spannung auf seine Rede; dann endlich sagte er in einem Tone, welcher ziemlich niedergeschlagen klang:
    »Es sind auch Wächter über uns, welche über die Kante unsrer Etage hinausblicken und das Loch beobachten. Ueber uns Wächter und unter uns Wächter; das ist schlimm, sehr schlimm!«
    »Wir schießen sie weg!« meinte der Hobble wohlgemut.
    »Versuch es doch!«
    »Warum nich?«
    »Ueberlege doch, bevor du sprichst. Kannst du diejenigen, welche auf unserm Dache liegen, wegschießen?«
    »Nee. Daran hatte ich freilich nich gedacht; aber desto leichter diejenigen, welche draußen unter uns schtehen.«
    »Wie willst du das anfangen?«
    »Na, ich brauch’ doch bloß das Gewehr off sie zu richten und loszudrücken!«
    »Das ist leichter gesagt als gethan. Das Loch ist so eng, daß du nur dann auf sie zielen kannst, wenn du das ganze Gewehr, die beiden Hände und den Kopf draußen hast. Aber ehe du dich in diese höchst gefährliche Lage bringst, hast du einige Kugeln im Kopfe.«
    »Wetter! Das is richtig! Nu haben wir das schöne Loch und können doch nich ‘naus!«
    »Leider, leider! Wir haben uns umsonst geplagt. Wir können weder durch die Decke noch durch die Mauer.«
    »Dunner Sachsen! Is das wahr?« fragte Frau Rosalie.
    »Es ist nur zu wahr,« erklärte Sam.
    »Gibt es denn keenen andern Ausweg? Etwa hier durch den Fußboden?«
    »Nein, denn es wird unter uns jedenfalls auch aufgepaßt.«
    »Na, da schtehen die Ochsen ja gerade so am Berge wie vorher! Und das will sich Herren der Schöpfung nennen. Wenn ich een Mann wäre, ich wüßte gewiß, was ich thäte!«
    »Nun, was?«
    »Ja, das weeß ich eben nich, weil ich keen Mann, sondern eene Dame bin. Die Herren sind da, um uns zu schützen; verschtehn Sie mich? Nu thun Sie doch Ihre Pflicht! Ich hab’s ganz und gar nich nötig, mir den Kopp darüber zu zerbrechen, wie Sie mich aus dieser Gefangenschaft retten wollen. Aber ‘raus muß ich unbedingt, und so fordre ich Sie off, Ihre paar Sinne anzuschtrengen, um zu ermitteln, off welche Weise Sie mich retten können und sich dazu!«
    Es trat eine lange Pause ein. Jeder und jede dachte nach, ob es denn keinen Weg der Rettung gebe; aber es erhob niemand die Stimme, um einen solchen zu verkünden. So verging eine halbe, eine ganze Stunde in trübem, peinlichem Schweigen. Da endlich hörte man Schi-So sagen:
    »Das Denken und Grübeln bringt keinen Nutzen. Wir können nicht hinaus, denn wir müßten einzeln hinauskriechen und würden einzeln weggeschossen. Dennoch aber denke ich, daß wir gerettet werden.«
    »Wie? Wie? Wodurch? Auf welche Weise?« erklang es um ihn her.
    »Old Shatterhand und Winnetou wollen sich auf Forners Rancho treffen. Forner wird ihnen von uns sagen, und es ist gewiß, daß diese beiden berühmten Männer unsrer Spur folgen. Sie werden also hier nach dem Pueblo kommen.«
    »Ja,« erklärte Sam mit einem tiefen Seufzer, »das ist die einzige Hoffnung, die wir noch haben können. Sie werden kommen; darauf möchte ich schwören, und wenn wir es bis dahin aushalten, werden wir gerettet werden.«
    »Aber das sind doch nur zwee Menschen. Was können die gegen so viele Indianer ausrichten?« warf Frau Rosalie ein.
    »Schweigen Sie unterthänigst!« wurde sie von dem Hobble aufgefordert. »Was verschtehen Sie von diesen beeden Helden, die meine Freunde und Gönner sind! Ich sage Ihnen: Und wenn tausend Rote uns bewachen, Old Shatterhand und Winnetou holen uns doch heraus, entweder mit List oder mit Gewalt, je nachdem es ihnen beliebt. Die haben noch ganz andre Sachen fertig gebracht. Wenn sie nur erscht unsre Schpur haben, nachher brauchen wir uns nich zu sorgen; sie holen uns heraus, und nich uns alleene!«
    »Wen denn noch?«
    »Ooch den Bankier, wenn er noch lebt.«
    »Der wird wohl nicht mehr leben,« meinte Sam; »er nicht und sein Buchhalter nicht. Auf diese beiden war es wohl ganz besonders abgesehen, sonst hätte man sie nicht von uns getrennt.«
    Er hatte recht, jedoch in andrer Art. Auf sie war es allerdings besonders abgesehen gewesen, doch nicht so, daß es,

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