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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welches der Gegenstand des Gespräches an Tausenden von Lagerfeuern gewesen war. Es gab im Westen drei Gewehre, an deren Berühmtheit kein viertes reichte; das waren Old Shatterhands Henrystutzen, sein Bärentöter und Winnetous Silberbüchse. Dieser rote Reiter war also Winnetou, der Häuptling der Apachen, überhaupt der berühmteste Häuptling des Westens, der treueste und aufopferndste Freund seiner Freunde und zugleich der gefürchtetste Gegner aller seiner Feinde.
    Er ritt nicht nach unsrer Manier, sondern er hing vornüber auf seinem Pferde, als ob er das Reiten gar nicht verstehe. Sein Blick schien müd und träumerisch unausgesetzt am Boden zu haften, aber wer ihn kannte, der wußte, daß seine Sinne von einer unvergleichlichen Schärfe waren und seinem Auge nichts, aber auch gar nichts entging.
    Da plötzlich richtete er sich mitten im Reiten auf; ebenso schnell hatte er seine Silberbüchse angelegt und auf einen Baum gerichtet; der Schuß krachte; es war ein kurzer, scharfer, sonorer Knall. Er lenkte sein Pferd nach dem Baume, ganz an denselben heran, stieg mit den Füßen auf den Sattel, langte in eine Höhlung, welche sich in der Nähe des untersten Astes befand, und zog den Gegenstand hervor, nach welchem er geschossen hatte. Es war ein Tier von der Größe eines mittleren Hundes mit gelblich grauem Pelze, dessen Grannen schwarze Spitzen hatten; der Schwanz war halb so lang wie der Körper. Dieses Tier war ein Waschbär oder Schupp, bei den Amerikanern Coati oder Raccoon genannt, für jeden Jäger ein höchst willkommener Braten.
    Kaum hatte er den Waschbären in der Hand, und noch waren seit seinem Schusse nicht zehn Sekunden vergangen, so ertönte östlich von ihm ein zweiter Schuß, welcher einen tiefen, eigentümlich schweren Fall hatte.
    »Uff!« sagte der Indianer überrascht zu sich. »Akaya Selkhi-Lata!«
    Dieser Ausruf in der Apachensprache heißt: »Dort ist Old Shatterhand!« Und sonderbar: Auch Old Shatterhand hatte scheinbar ganz gleichgültig und in sich versunken seinen Weg verfolgt, als der Schuß des Apachen fiel. Sofort hielt er sein Pferd an und sagte:
    »Das war Winnetou, der Häuptling der Apachen! Ich kenne die Stimme seiner Silberbüchse.«
    Er hatte diese Worte in deutscher Sprache gesagt, ein untrügliches Zeichen, daß er ein Deutscher war. Schnell nahm er seinen Bärentöter vor und gab den Schuß ab, an welchem Winnetou augenblicklich seinen Freund erkannte. Dem Europäer und auch jedem andern, der den Westen nicht betreten hat, scheint dies unmöglich zu sein; aber der erfahrene und geübte Westmann kennt die Stimme jedes ihm bekannten Gewehres; seine Sinne sind geschärft, weil von der Feinheit derselben hundertmal sein Leben abgehangen hat und noch abhängen wird. Wer sich diese Sinnesschärfe nicht anzueignen vermag, der geht verloren. Wie verschieden ist die menschliche Stimme! Man hört einen Bekannten unter Tausenden heraus. Und wie ist es z.B. mit dem Hundegebell? Erkennst du deinen Phylax, Cäsar, Ami oder Nero nicht sofort an der Stimme? So ist es auch mit den Gewehren. Ein jedes hat eine andre, seine eigene Stimme; das weiß und hört freilich nur derjenige, der ein Ohr dafür hat.
    Als die beiden Schüsse, an denen die Freunde einander sich erkannten, gefallen waren, verließen sie ihre bisherige Richtung und ritten aufeinander zu, Old Shatterhand westlich und Winnetou östlich. Um den andern genau zu finden, schoß jeder noch einmal; dann trafen sie auf einer kleinen Lichtung zusammen, sprangen von den Pferden und umarmten und küßten einander.
    »Wie freut sich meine Seele, meinen guten, weißen Bruder schon heut zu treffen!« sagte Winnetou. »Wir wollten erst übermorgen uns auf Forners Rancho finden. Mein Herz sehnte sich seit langer Zeit nach dir und meine Gedanken eilten dir viele Tagereisen weit entgegen.«
    »Auch ich bin ganz glücklich, den besten und edelsten meiner Freunde bei mir zu haben,« erwiderte Old Shatterhand. »Ich habe an dich mit Sehnsucht gedacht; du hast mir gefehlt, seit ich von dir schied, und meine Seele ist nun stille, da ich dich vor mir sehe. Wie ist es meinem Bruder während dieser langen Zeit ergangen?«
    »Die Sonne steigt und fällt wieder nieder; die Tage kommen und gehen; das Gras wächst und verdorrt; Winnetou aber ist derselbe geblieben. Hat mein weißer Bruder viel erlebt, seit ich ihn zum letzten Male sah?«
    »Viel! Nicht jeder Tag ist schön, und unter den Blumen der Prairie gibt es manche giftige. Dieser Prairie

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