Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
gewiß einen Finger dick auf dem Wasser; es muß unterirdisch in großen Massen vorhanden sein. Wenn dies nicht der Fall wäre, so hätte ich es gar nicht entdeckt, denn der Ort liegt so versteckt und weltverlassen, daß ich wette, es ist noch nie der Fuß eines Menschenkindes hingekommen und es würde ihn auch in Jahrzehnten keiner betreten, obgleich der Chelly-Arm schon oft von Jägern und wohl noch mehr von Indianern besucht worden ist. Wie gesagt, ich wäre an dieser Stelle gewiß vorüber gegangen, wenn mich nicht der Oelgeruch aufmerksam gemacht hätte.«
»War dieser wirklich so stark?« fragte der Bankier.
»Sollte es meinen! Ich war wohl fast eine halbe Meile von der Stelle entfernt, und doch spürte meine Nase das Petroleum. Ihr könnt Euch also denken, in welchen Massen es vorhanden sein muß. Ich bin überzeugt, daß der Bohrer gar nicht tief in die Erde zu dringen braucht, um auf das unterirdische Oelbassin zu treffen. Heigh-day, muß das eine Fontaine geben, wenn es dann emporspringt! Wollen wir wetten, Sir, daß sie wenigstens hundert Fuß in die Höhe steigt?«
»Ich wette nie,« antwortete Rollins in ruhigem Tone, zu welchem er sich zwingen mußte, denn das Funkeln seiner Augen bewies, daß seine Begierde heftig erregt worden war; »aber ich will hoffen, daß alles wirklich so ist, wie Ihr sagt.«
»Kann es anders sein, Sir? Kann ich Euch belügen, da Ihr doch dann, wenn wir an Ort und Stelle kommen, den Betrug sofort erkennen würdet? Ich habe noch keinen einzigen Dollar von Euch verlangt, sondern Ihr bezahlt mich erst dann, wenn Ihr Euch überzeugt habt, daß ich Euch nicht täusche und der Handel ein ehrlicher ist. Ein Betrug könnte doch nur dann möglich sein, wenn ich die Bedingung stellte, vorher bezahlt zu werden.«
»Ja, Ihr habt da so gehandelt, daß ich Euch für einen ehrlichen Mann halten muß; das will ich gern zugeben.«
»Dazu kommt, daß Ihr mich nicht bar, sondern in Anweisungen auf San Francisco bezahlen werdet.«
»Ihr wollt doch hoffentlich nicht damit sagen, daß Ihr bezweifelt, daß diese Anweisungen in Frisco honoriert werden?«
»Fällt mir nicht ein! Ich weiß, daß Eure Unterschrift selbst für eine Million gut sein würde. Aber sagt mir doch einmal, ob Ihr diese Anweisungen bereits jetzt in der Tasche tragt!«
Ein aufmerksamer Beobachter hätte wohl bemerkt, daß er bei dieser Frage einen Ausdruck der Spannung auf seinem Gesichte nicht ganz zu unterdrücken vermochte. Sein Blick war mit schlecht verhehlter Begierde auf den Bankier gerichtet, und das hatte seinen guten Grund.
Der angebliche Petroleumfund war Schwindel; Rollins sollte getäuscht und nach der Zahlung mit seinem Buchhalter ermordet werden. Hätte er die Summe bar bei sich gehabt, so wäre sie ihm schon längst abgenommen worden, und er lebte nicht mehr. Trug er nun die fertig ausgestellten Anweisungen in seiner Tasche, so war das ebensogut wie bares Geld, und man brauchte sich mit ihm keinen Augenblick länger zu befassen. Eine Kugel in den Kopf, dem Buchhalter auch eine, und der Oelprinz befand sich so gut wie im Besitze des Geldes. Waren diese Papiere aber noch nicht fertig, so mußte die Komödie weiter- und bis zu Ende gespielt werden.
Rollins beachtete weder den bösen Blick noch den Gefühlsausdruck des Fragenden und antwortete:
»Warum wollt Ihr das wissen, Sir?«
»Weil es von großer Wichtigkeit für mich und auch für Euch ist. Wir befinden uns in der Wildnis, wo man seines Lebens oder wenigstens seines Eigentumes niemals sicher ist. Das habt Ihr ja im Pueblo erfahren. Wie nun, wenn wir überfallen und beraubt werden, wenn man Euch die Papiere abnimmt und mit ihnen nach Frisco reitet, um das Geld zu erheben?«
»Das wird nicht geschehen, denn ich bin vorsichtig gewesen. Ich habe zwar Formulare mitgenommen, aber sie sind nicht ausgefüllt und unterschrieben.«
»Das ist recht; das beruhigt mich. Aber wie wollt Ihr sie ausfüllen? Meint Ihr, daß da oben am Chellyflusse Federn wachsen und statt des Wassers Tinte fließt?«
»Habt keine Sorge! Ich bin natürlich mit einigen Federn versehen und habe auch ein kleines Fläschchen Tinte bei mir. Was übrigens den gestrigen Vorgang im Pueblo betrifft, so wundre ich mich allerdings darüber, daß es diesem Häuptlinge Ka Maku nicht eingefallen ist, uns die Taschen auszuleeren. Ich kann mir das wirklich nicht erklären.«
»O, die Erklärung ist doch so einfach wie nur möglich. Die Roten waren mit der Gefangennahme so beschäftigt, daß sie
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