Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
widersprochen hat. Die haben mich schtets reden lassen!«
»Gut, so werde ich dasselbe thun,« lachte Wolf.
»Das is sehr weise von Ihnen gehandelt, denn dadurch erschparen Sie sich wissenschaftliche Demütigungen, denen Ihr kindlicher Geist noch nich gewachsen is. Schpäter, wenn wir uns erscht ‘mal über die Schöpfung im allgemeenen und im besondern geeenigt haben werden, werde ich Ihnen een paar Bücher borgen, aus denen Sie die Anfangsgründe der diätetischen Weltanschauung kennen lernen können, wenn Sie Anlage dazu besitzen und sich die gehörige Mühe geben. Bis dahin aber wollen wir lieber von Dingen schprechen, welche nich so angreifend für Ihr sanftes Gehirn sind. Wenn Sie sich mit mir unterhalten wollen, so bin ich gar nich abgeneigt dazu, denn die wahre Bildung und Improvidenz beschteht darin, daß man sich mit Vergnügen zu dem geistig Schwächeren herunterläßt; aber da müssen wir een Thema suchen, wozu Ihr Nervensystem mehr heitere Minorität besitzt, als zu solchen hohen metallischen Konflikten.«
»Gut, Herr Franke,« lächelte Wolf. »Ist es Ihnen recht, wenn wir von dem reden, was uns am nächsten liegt, also von den Indianern?«
»Da schtimme ich bei, obwohl ich ooch da überzeugt bin, daß Sie mit Ihren Ansichten in die Käse fliegen.«
»In die Käse? Wieso oder warum?«
»Weil es Ihnen jedenfalls ooch da an der ausgedehnten Erfahrung und Expansation mangelt.«
»Expansion, meinen Sie?«
»Nee, ich meene Expansation. Sie müssen sich das een für alle Male merken, daß ich es schtets so meene, wie ich es sage. Wer es anders meent, der is keen Ehrenmann, ooch in Beziehung off die Fremdwörter nich!«
»Gut! Also Sie behaupten, daß es mir in Beziehung auf die Indianer an der Erfahrung mangelt?«
»Ja.«
»Ich weiß aber, daß ich mich schon weit länger im Westen befinde, als Sie.«
»Das thut nischt. Schtecken sie heut eenen fein dressierten arabischen Hengst in eenen Eselsschtall, so wird der Esel ooch denken oder gar sagen, er is länger da. Die Zeit thut’s nich, sondern der Geist, das is die Hauptsache. Sie sind nur körperlich hier gewesen; ich aber habe meinen ganzen Geist in die indianischen Verhältnisse versenkt, und zwar so tief, daß ich ihn beinahe nich wieder herausgebracht hätte.«
»Er wollte also darin stecken bleiben?«
»Unsinn! Mein Geist bleibt niemals schtecken! Nee, er wollte durch, ganz durch, mitten durch und off der andern Seite wieder ‘naus. Das wollte ich aber nich, weil ich doch nich wußte, wo ich da hingeraten würde. Ja, so is es; ich habe die Indianer förmlich schtudiert. Was für welche kennen denn Sie?«
»Alle Stämme, die hier in dieser Gegend wohnen.«
»Nur? Da reichen Sie mir mit Ihrer ganzen, langen Geschtalt nich ‘mal ‘rauf bis an meine Hosentasche. Ich bin bis hinauf zum Nationalpark gewesen, nämlich mit Old Shatterhand und Winnetou. Da haben wir ganz andre Schtudien machen können und ganz andre Indsmen kennen gelernt.«
»Ja, ich weiß es; ich habe es gehört. Sie haben es damals mit den Sioux zu thun gehabt.«
»Sogar mit den Ogallellah!«
»Die sind wohl schlimmer als die hiesigen Roten?«
»Schlimmer? Hm! Dieses Ausdruckes mag ich mich überhaupt nich bedienen. Für eenen tüchtigen Weißen is überhaupt keen Indianer schlimm; er haut sie alle in die Pfanne, wenn er nämlich wilde wird. Unsereenem gegenüber is es ganz gleich, ob’s een Apache oder een Comanche oder een Dakota is, sie sind doch alle weiter nischt als bloße Senfindianer.«
»Senfindianer? Wieso?«
»Das wissen Sie nich?«
»Nein.«
»Na, da sagen Sie nun nich mehr, daß Sie die Indianer kennen!«
»Aber, Herr Franke, von einem Senfindianer habe ich wirklich noch nichts gehört.«
»Nich? Da hört doch alles off! Es gibt nich nur eenen, sondern sogar zwee Senfindianer. Und da kennen Sie wirklich keenen davon?«
»Nein.«
»Weder den alten noch den jungen?«
»Nein. Vielleicht sind Sie so gut, mich aufzuklären.«
»Ja, ich will die Güte haben.«
»Wo leben denn diese beiden Senfindianer?«
»Das thut gar nischt zur Sache; es genügt für Sie, zu wissen, daß sie in Washington gewesen sind.«
»In Washington? So?«
»Ja, beim großen, weißen Vater. Sie wissen vielleicht, wer mit diesen Worten gemeent sein soll?«
»Ja. Die Indianer pflegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten den ›großen, weißen Vater‹ zu nennen.«
»Richtig! Wie ich höre, sind Sie doch nich ohne alle Anlage zur Wissenschaft. Also diese beeden Indianer
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